Samstag, September 06, 2008

Fantasy Filmfest 2008, Part 2



THE BRØKEN
st nicht mehr und nicht weniger als mein erstes, persönliches Festival-Highlight. Außerdem etabliert THE BROKEN nun auch den Namen Sean Ellis (Regiesseur), der mit diesem und seinem Erstling (CASHBACK) zwei absolut hochkarätige Filme geschaffen hat.

THE BROKEN ist exakt das, was der japanische Film INTO THE MIRROR auf dilettantischste Art und Weise, trotz greifbarem Potential verbockte. Sean Ellis greift sich jedoch nicht nur den daraus entsprungenen Spiegelplot, bei dem er nahezu jedes Bild mit einer unbehaglichen Symmetrie ausstattet, sondern vermischt seine Geschichte mit Auszügen aus THE BODYSNATCHERS und SIE LEBEN! und ordnet diese schauderhafte Mischung schließlich auch noch einem STAY-artigen Traumadiskurs unter. Und all diese Facetten bringt Sean Ellis so meisterlich, so stilsicher aber auch so unverkrampft unter einen Hut. Und gerade letzteres ist sicher nicht selbstverständlich, weil die meisten Filme dieser Art sich irgendwann an ihrem Konstrukt aufhängen. Nicht aber THE BROKEN, der unter Beweis stellt, wie flüssig ein von vorn bis hinten durchkonstruierter Film ablaufen kann.
Man möchte sich THE BROKEN am liebsten gleich noch einmal ansehen. Um die enorme Perfektion zu begreifen, aber auch um sich an den vielen Details zu laben, mit denen der Film in jeder Einstellung arbeitet. Gerade zu Beginn wirkt es wahre Wunder, dass THE BROKEN voll und Ganz auf seine filmische Erzählung vertraut und nicht den Erklärbären mimt. Es ist doch so viel besser, die Tatsachen nur leise anzudeuten anstatt sie laut anzusprechen. Es beunruhigt doch so viel mehr, das wir nur vermuten können, was sich dort zuträgt, anstatt das wir alles auf dem Silbertablett gereicht bekommen. Ich gehe sogar so weit zu sagen, THE BROKEN sei der erste Film seit Jahren, der die Idee hinter Suspense verstanden hat und diese richtig umzusetzen weiß.

Und am Ende fällt dem Zuschauer schließlich die Decke auf den Kopf. Das Enthüllte lässt den Film nicht nur in einem anderen Licht dastehen, sondern verbeugt sich auch noch vor dem Publikum, indem THE BROOKEN ihm zutraut zu verstehen was es sieht. Gerade hierfür sind die letzten Sekunden Zelluloid von enormer Wichtigkeit, schließlich bedeuten Sie den Unterschied zwischen einem anbiedernden Blockbuster und diesem kruden Independentfilm. Die kalten, bedrohlichen Bilder sind nicht weniger qualitativ, als die aus DOWNLOADING NANCY (man bemerke das hier Christopher Doyle zu Gange war!). Hervorzuheben ist definitiv auch die großartige Tonarbeit, welche dem Film ein sehr eigenes audio-visuelles Sprachrohr verleiht . Melvil Poupaud (DIE ZEIT DIE BLEIBT) und Lena Headey (300) müssen eigentlich nur halbwegs ordentlich spielen - und das machen beide auch.

THE BROKEN ist subtiler Thriller und Endzeitgegrusel in einem. Den Namen Sean Ellis darf man sich fortan im Gedächtnis erhalten, er wird mit kommenden Projekten definitiv zum Gütesiegel. Wer allerdings auf die neuerdings so angesagten, reisserischen Goreparties steht, wird bitter enttäuscht. THE BROKEN tauscht die Blutkonserve nämlich zum größten teil gegen eine dichte Atmosphäre. Das bieten heute nur wenige. 9/10

MIRRORS
Nicht so schlecht wie ich es erwartet hatte. Aber: Alexandre Aja nähert sich weiter dem Mainstream an. Deshalb ist MIRRORS rein von der Erzählung her auch ziemlich Flasche leer. Trotzdem weiß Aja das Ganze optisch weitestgehend ansprechend zu verpacken. MIRRORS ist rasant und spannend, obwohl das Original nicht wirklich viel hergibt, außer ein interessantes Ende, welches Aja lediglich kopiert und nicht neu arrangiert, wie Sean Ellis es in THE BRØKEN tut. Dies spricht ebenfalls für Aja's Inszenierungsstil. Das die CGI-Effekte stellenweise einen unfreiwillig komischen Ton treffen, tut der Spannung stellenweise leichte Abbrüche. Ob es für Herrn Aja auch in Zukunft ausreicht, eine glatte Materie an der Oberfläche aufzurauen, wird sich zeigen.5-6/10

THE STRANGERS
er Überraschungshit aus den Staaten stellt sich im Nachhinein als ungenießbar heraus. Nicht nur, dass Bryan Bertino auf seinem Weg zum belanglosen Finale durch jedes erdenkliche Genreklischee tappt, er reizt auch die letzte halbwegs spannende Einstellung durch zehnmaliges Wiederholen so dermaßen aus, dass man es nur schwer glauben mag. (Wie man trotz Genreregeln einen halbwegs spannenden Film drehen kann, zeigte dieses Jahr beispielsweise auch EDEN LAKE.) Ganz großartig dachte ich mir: "Da hat aber einer den japanischen Horrorfilm ganz genau begutachtet". Schließlich übernimmt THE STRANGERS - leider ebenfalls viel zu oft - diese unsäglich reisserischen Der-Mörder-steht-jetzt-mal-45-Sekunden-im-Hintergrund-und-die-Screamqueen-dreht-sich-erst-um-wenn-er-gerade-weg-springt-Montagen, die wir alle aus RINGU, ONE MISSED CALL, SHUTTER und Co kennen. Sowieso stellt THE STRANGERS seine Spannung viel zu oft hinten an, um irgendwelchen stupiden Wechselmanövern den Vortritt zu lassen. Raus aus dem Haus, in die Scheune, ins Haus, ans Auto, ins Haus, ins Haus... und werden immer wieder laufen gelassen. So dämlich haben sich Killer und Opfer wahrlich nur selten beim Tödestänzchen angestellt. Nicht aber, weil man mit der Beute noch etwas spielen möchte, sondern eher weil der Drehbuchautor die Seiten vollbekommen musste um eine Kinoauswertung zu erreichen. Nein, hat keinen Spaß gemacht, sondern war einfach nur unnötig wie Fußpilz. Wenigstens die Schalplattenidee rettet THE STRANGERS vor dem absoluten Aus. 3-4/10

THE MIDNIGHT MEAT TRAIN
Bora-Boring. Kitamura lässt die Yen im Beutel und darf mit US-Dollarnoten um sich schmeißen. Und so sieht der Film auch aus. Alle Szenen auf der Straße sehen grandios aus, weil MIDNIGHT MEAT TRAIN dort ein Auge für die richtigen Einstellungen hat. Und sowie die Kamera in die U-Bahnschächte fährt, schließt sich der Kreis: Anstandslos alle Szenen in und um die Bahn wirken viel zu glatt, beinahe zu Tode stilisiert und sind obendrein noch ziemlich langweilig. Das billige Kunst- und CGI-Blut spritzt durch den Bahntorso und sah dabei nie unechter aus als hier. Ist das Himbeergelee?

Die publikumsaufgeilenden Goreszenen sind schlecht inszeniert, läuten aber wenigstens einen gewissen Trashanspruch ein, dem der Film spätestens in den völlig verramschten letzten 20 Minuten gerecht wird. Ganz ehrlich? ich fand das alles hochgradig lächerlich und zu keiner Zeit spannend oder intensiv oder sonst was. Kann sein, das Kitamura sich an die Vorlage gehalten hat, dann ist diese aber auch Mist. In meinen Augen versteht sich. Einzig und allein eine Plot-Raffinesse sticht ins Auge. Und zwar die, dass man dem Protagonisten nicht vorwerfen kann, dass dieser immer wieder auf fragwürdigste Weise in die Höhle des Löwen rennt - schließlich enttarnt MIDNIGHT MEAT TRAIN dies als seine Obsession. Auf der anderen Seite gibt es dafür Storylöcher von der Größe eines mittelgroßen Bergsees. 3/10

DONKEY PUNCH
Ist ein außerordentlich kleiner aber feiner Film geworden. Sieben unverkrampfte Gesichter sorgen dafür, dass gleich zu Beginn des Films die angestrebte Partystimmung aufkommt. Flotte Musik, hübsche Menschen, strahlender Sonnenschein, Drogen und Alkohol. Das schreit förmlich nach einer Orgie - und die bekommen wir dann auch. Wunderschön gefilmt. Der Zuschauer wird kurzerhand zum Voyeur, der es sich im Kinosessel bequem macht und wie durch ein Schaufenster auf das bunte, erotisch Treiben blickt. Wie die gesamte Stimmung des Films in nur wenigen Sekunden kippt und trotzdem nicht zur reisserischen Nummernrevue verkommt, ist Regisseur Oliver Blackburn mehr als hoch anzurechnen. Zu viele Filme haben auf dem Fantasy Film Fest 2008 genau diese Lücke verpasst. Was dann folgt ist ein plausibel erzählter Thriller mit so manchem moralischen Twist und einigen wirklich neckischen Ideen. Auch oder gerade weil DONKEY PUNCH seiner Form so treu bleibt, ist er für mich trotz einigen Luftlöchern definitiv ein kleines Highlight. Just like sex on the beach, nur eben ohne das "Happy End". Jedenfalls weitestgehend. 7/10

Fantasy Filmfest 2008, Part 1



EDEN LAKE
Um mal eines vorweg zunehmen: Die Auswahl der Eröffnungsfilme lässt durchaus zu wünschen übrig. Nach den halb garen Filmchen SEVERENCE und BLACK SHEEP nun also EDEN LAKE. Dieser ist auch nicht sonderlich innovativ, bedient sich lediglich den bekannten Backwood Slasher Konventionen, indem der Film seine Protagonisten abermals durch das (zugegeben schön gefilmte) tiefe, grüne Dickicht scheucht. Des Öfteren ertappt man EDEN LAKE dabei, wie er aus der Rahmenhandlung gelöste Szenen verpulvert, die einzig und allein dem Strecken der Filmlänge dienen. Da muss sich der Nagel im Fuss auch schon einmal falsch herum gezogen werden, damit das Publikum reagiert.

Genug gebasht. Denn an sehr cleveren und interessanten Bausteinen mangelt es EDEN LAKE nun wirklich nicht. Das Einbringen der YouTube Generation ist nicht minder interessant und wohl überlegt als die amoklaufende Kindergärtnerin, die anfangs noch versucht mit Worten der Lage Herr zu werden, schließlich aber doch zum Mordwerkzeug (bzw. der Scherbe) greift. Dieses Motiv montiert der Film ähnlich wie BRICK seiner Zeit das verschrobene Bild des Schulhofes, auf dem man eine Idylle vergebens sucht und nur auf Hass und Gewalt trifft. Das EDEN LAKE besorgt um die angeprangerte Brit-Kultur (oder Jugend im Allgemeinen?) ist, merken wir schon daran, dass der Film das Szenario nicht mit dem altfränkischen Schuld- und Sühnebrei auflöst, sonder konsequent bis zur letzten Instanz aufrecht erhält.

Irgendwie ist das ja alles ganz nett und auch nicht dumm. Die Inszenierung allerdings ist drauf und dran eine neue Bestmarke der Beliebigkeit zu erreichen. Zwischendurch wird es dann eben doch sehr mühsam. 6/10

DYING BREED
Ist in erster Linie mal wieder ein gradliniger, hausgemachter Redneck-Kannibalen-Inzest-Backwood-Film. Weiß Gott nicht besonders originell oder spannend, das weiß der Film aber auch selbst. Ohne die Liebe zu einfach gestrickten Genrehappen wie WRONG TURN, MUTTERTAG oder THE HILLS HAVE EYES kann man an DYING BREED nur schwer Gefallen finden. Die Gewaltschraube ist relativ hoch, was heute ja fast schon zur Bedingung geworden ist, die Gore-Einlagen handfest. Leider ist die Handlung so dermaßen platt das häufige Blicke auf die Uhr im Mittelteil zur Gewohnheit werden. Wie auch schon EDEN LAKE verpackt DYING BREED das Einerlei in schönen, weitläufigen Bildern des Waldes. Leider schöpft auch dieser nicht das Potential dahinter aus. Und so bleibt eben ein durch und durch beliebiger Film nach dem bewährten Schema. Wer's braucht... mir hat er nichts gegeben, auch wenn ich ihm eine gewisse handwerkliche Raffinesse nicht absprechen will. Und zumindest die Szene mit dem Karnickel war wirklich saukomisch. 4/10

DOWNLOADING NANCY
DOWNLOADING NANCY ist der erste Film des Festivals, den ich als richtig gut empfand. Der Suburbia-Clash ist sicher nicht das innovativste Thema, das ein typischer Sundance-Film zu bieten hat. Aber hier vermischt sich dieser mit dem grandiosen Schauspiel der drei Hauptdarsteller und den hypnotisch unterkühlten Bildern von Christopher Doyle. DOWNLOADING NANCY bedient sich gleich einer Vielzahl an Motiven: Die traumatisierte Ehefrau will hier nicht einfach raus aus ihrem Käfig, sie will ein Ende. Das bekommt der Zuschauer recht schnell zu spüren, dennoch schafft er es nicht sich für einen der Optionen zu entscheiden. Hier liegen die Stärken von DOWNLOADING NANCY. Fast eine Spur zu akribisch zeigt der Film auf, das du nicht lieben darfst, was du zu quälen versuchst und das du nicht bereinigen kannst, was du vorher mühsam getrübt hast. Ich mochte das. Eben auch weil der Film mehr Gedankensammlung als Spielfilm ist, dafür ist er auch zu unfilmisch. DOWNLOADING NANCY bedient sich der Gedanken und Gefühle seiner Protagonisten ähnlich wie auch PARANOID PARK, welcher in diesem Feld die Nase fast noch ein Stück weiter vorne hat. Dennoch kann ich dieses melancholische, langsame, triste Machwerk nur weiterempfehlen. 7/10

MARTYRS
Sind wir mal ehrlich: MARTYRS ist ganz fauler Budenzauber. Ich lasse das ganze "To-Hard-To-Alive" und "Sickest-Movie-Ever"-Gedöns jetzt einfach mal im Regen stehen und gehe ganz nüchtern an die Sache ran. Die erste Hälfte ist wirklich großartig. Nein, nicht verlesen, großartig. Die Inszenierung lässt keine Wünsche offen. Schnell, spannend, nervenzerrend und einleuchtend. In Rund 10 Minuten ist das Feld abgesteckt, sodass sich Pascal Laugier schnell um das Wesentliche kümmern kann. Dabei bleiben die Motive weitgehend plausibel - ob richtig oder falsch sei dahin gestellt, das lässt auch der Film offen - und stellenweise sogar erschreckend einfühlsam. Überhaupt ist MARTYRS durch und durch depressives Leidenskino.

Bis hierhin. Doch dann macht der Film einen spürbaren Schnitt. Die Kamera ist nicht länger mittendrin, sondern nur noch stiller Beobachter. Der 2. Akt des trockenen Franzosen wirkt schrecklich aufgebläht, so als hätte man hier einen brauchbaren Kurzfilm unnötig aufgeblasen. Und ich verstehe einfach nicht was den Mann geritten hat. Er lässt sämtliche Motive fallen, verliert sich in gefährlichen Folterwiederholungen, die nur deshalb eingebaut wurden, um sich ein Alleinstellungsmerkmal zu sichern. Ja, MARTYRS ist grausam, er ist die visuelle Annäherung an physische Ausnahmesituationen. Gerade in Verbindung mit dem unglaublich lästigen Sekten-Plot aber auch tot peinlich. MARTYRS tauscht das Rachedrama gegen ein bedeutungsschwangeres Gewaltexperiment und ist letzten Endes deshalb auch weder Fisch noch Fleisch und gerade auch wegen seines Größenwahns im letzten Drittel auf Grund gelaufen. Von mir gibt es ein leises Achselzucken. Den Karren kilometertief in den Sand gefahren. 5/10

LET THE RIGHT ONE IN
Eine Offenbarung. Ein Dialog aus Horrorfilm und Drama wie ich ihn seit Ji-Woon Kim's A TALE OF TWO SISTERS nicht mehr sah. Ich bin ganz und gar begeistert. In wunderschönen, trüben Bildern erzählt uns der Film vom täglichen Grauen des Vampirismus und der Jugend. Schmerzhaft stellt LET THE RIGHT ONE IN aber auch unter Beweis, das nur eines der beiden vergänglich ist. Somit driftet die Geschichte um die beiden Kinder nie in den Kitsch ab, der Vampirpart verliert aber ebenso wenig an Ernsthaftigkeit. Vielleicht ein Grund, wieso der Film am Ende sogar berührt. Einzig und allein die letzten beiden Szenen sind zu kritisieren, weil sie wie angeheftet schmecken. Weitaus stimmiger wäre das Bild, hätte man 5 Minuten früher einfach abgebrochen. Dennoch bleibt dies ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein, insgesamt haben wir es hier mit einer sehr ausgeklügelten und atmosphärischen Coming-Of-Age Parabel zu tun. 8/10