Mittwoch, Januar 09, 2008

DVD: 2:37 (TWO THIRTY 7)

Das Ende ist der Anfang. Wir sehen eine Schülerin an die verschlossene Tür eines Waschraums klopfen. Sie wird zunehmend hektischer und unruhiger. Keiner antwortet. Eine leichte Blutlache am unteren Türrand lässt erahnen, dass hinter dieser Mauer etwas Schreckliches passiert ist. Schnitt. Das Titelbild, der Morgen davor. Wir lernen 5 Menschen kennen und begleiten sie durch den schicksalhaften Tag.

Regiedebütant Murali K. Thalluri hat ein gewaltiges Problem: Für ein Erstlingswerk kommt 2:37 stellenweise verdammt altklug und aufgeblasen daher, dass obwohl der junge Mann gerade einmal 23 Jahre alt ist. Die Beiläufigkeit des Beobachtens, mit der die Kamera durch die blassen, grauen Korridore der Schule schwebt, die Pianomusik und der Ahornbaum in ständigen Close Ups. Dass alles wirkt natürlich im höchsten Maße prätentiös. (Und erinnert nicht selten an van Sant’s ELEPHANT) Mindestens ebenso ärgerlich ist die Tatsache, dass Thalluri ein möglichst realistisches Bild dieser jungen Gesellschaft zeichnen will, es aber nicht schafft auf die üblichen, ermüdenden Klischees und Überspitztheiten zu verzichten. Warum? weil er es dem Publikum überdeutlich machen möchte. Bis zur Hälfte wirkt das Problem-Wirrwarr noch einigermaßen glaubhaft. Dann erlegt Thalluri seinen Figuren aber jeweils noch eine weitere Hürde auf, die ganz einfach jeglichen Rahmen sprengt.

Zumindest die Absicht dahinter kommt klar und deutlich raus: Wir alle sind so mit unseren eigenen Problemen beschäftigt das wir die Welt um uns herum zu oft außer acht lassen. Die Schule ist ein Platz für Egoisten und Mitläufer. Wer sich nicht dran hält, landet im Abseits. Bitter und hart – dennoch aber nachvollziehbar. Hier liegen eindeutig die Stärken von 2:37, nämlich das authentische Sinnen über diese alltäglichen Probleme. Ich konnte mich einige Male sehr gut mit den im Interviewstil gehaltenen Charakterisierungen identifizieren. Das Mädchen Melody bringt es einmal gegen Anfang auf den Punkt: „Es gibt Dinge, denen man sich – egal wie viele Verwandte oder Freunde man hat – allein stellen muss.“ Dinge die keiner fühlen oder verstehen kann, die man einsam durchlebt, ob man will oder nicht. Und trotz alle dem steht über allem immer noch der Egoismus. „Sie hat es gut“, lauten die Worte in einem ganz speziellen Zusammenhang, der die Situation genauso gut schildert wie die Debatte über gleichgeschlechtliche Eltern im ersten Drittel des Films.

In genau diesem Zusammenhang komme ich deshalb auch nicht umher, so etwas wie Bewunderung für Herrn Thalluri zu empfinden. Diesen Part seiner Geschichte hat der Mann nämlich für ein Debüt sehr erstaunlich in Szene gesetzt. Und als der finale Akt dann schließlich läuft, wir als Zuschauer sehen was gespielt wird, hat uns der Jungregisseur doch noch genau dort gepackt, wo wir es nicht für möglich gehalten haben. Wir haben uns vom egoistischen Spiel der Figuren blenden lassen und haben nicht „gesehen“ was gesehen werden will. Das Einzige was schlimmer ist als nicht zu existieren, ist nicht gesehen zu werden.

Was folgt ist eine der vielleicht differenziertesten Darstellungen eines Selbstmordes, die ich in einem Film miterleben musste. Schamlos, fast beiläufig hält die Kamera den verzweifelten Akt fest. Nuancenlos führt uns Thalluri an die Quintessenz und beschreibt die Tat als das was sie nun einmal ist: Hoffnungslos, nicht enden wollend, ausweglos und vor allem einsam. Und so sehr man sich auch über die Umstände und das Gerüst beklagen kann, der Kern des Films sticht insgesamt positiv heraus. Hätte Murali K. Thalluri seine Charaktere nicht so weltfremd und überzeichnet angelegt, hätte er es verstanden sein Süppchen auf subtilere Weise zu kochen und viele Gedankengänge der Protagonisten durch schauspielerische Mittel gelöst, nicht aber durch herausposaunende Dialoge,… dann, ja dann hätte 2:37 ein richtig guter Film werden können. So bleibt ein fader Beigeschmack. Zumindest bleibt die Gewissheit, das ein erfahrener Filmemacher wie Gus van Sant den karren seiner Zeit tiefer in die Jauche gefahren hat. Gegen ELEPHANT, der wohl Ästhetik -Geber für 2:37 spielen durfte, jedoch ein anderes Thema behandelt, ist Murali K. Thalluri’s Film wahrhaftig ein kleiner Rohdiamant.

5-6/10

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

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