Montag, Oktober 09, 2006

Kino: WORLD TRADE CENTER


Kommt und seht sie an, die tragische Geschichte eines einst so großen Regisseurs. Mit einer Bewerbungsmappe in der Filme wie THE DOORS, NIXON, U TURN und PLATOON untergebracht wurden, gehört er zu den ganz großen in Hollywood. Aber nun? ALEXANDER floppte beim Publikum, konnte aber wenigstens filmisch bei dem ein oder anderen überzeugen. Das ist mit WORLD TRADE CENTER anders. Für diesen einen Goldnugget hat Stone seine Seele, seinen Geist verkauft um sich wieder einmal feiern zu lassen. Dieser Film atmet zu keiner Zeit Stone’s Markenzeichen oder seine Handschrift. Stone ist nicht spürbar, kein Element das ihn ausmacht dringt hervor. WORLD TRADE CENTER ist nur eines: vor Pathos triefender Kitsch den man rein filmisch als absoluten Supergau bezeichnen darf.

Erzählt wird nicht die Geschichte vom großen Angriff, auch wenn WORLD TRADE CENTER es nicht scheut immer wieder klarzumachen wer hier Opfer ist. Täter gibt es keine, fast als spiele es keine Rolle. Deswegen pickt Stone sich zwei Opfer heraus, versucht sich auf deren Leiden zu konzentrieren. Das ist legitim, funktioniert auf diese Art und Weise aber einfach nicht. Er blendet den Anschlag aus – nicht nur das, er ignoriert ihn sogar vehement – und tut so als hätte sich bei einem Kreuzfahrtsschiff zufällig die Schiffsschraube gelöst. Ups! – Naja… passiert.

Stone wollte keine Dokumentation machen, (auch wenn ich davon überzeugt bin das dies der bessere Weg gewesen wäre) als Spielfilm funktioniert WORLD TRADE CENTER aber auch nicht. Die Geschichte wiederholt sich ständig und ist nebenbei auch noch sehr ermüdend. So makaber es klingt, Stone präsentiert uns ein 9/11-BestOff, in dem zu Beginn des Films alle Zeitungsschnipsel verarbeitet werden, von Lady Dust bis hin zu den blut überströmten Feuerwehrmännern aus dem TV. All das rührt er kräftig um und knallt es dem Zuschauer um die Ohren. Weder Nähe, noch großartig Mitgefühle kommen für die Figuren auf, es sei denn der Zuschauer bringt dies schon mit in den Saal. Ehe man sich versieht geht es auch schon los, das Hochhaus stürzt ein, die schlecht animierten CGI-Felsbrocken fliegen Jay Hernandez und Nicolas Cage um die Ohren, dann Stille, die obligatorische Schwarzblende – für die nächsten zwei Stunden sind Protagonisten und Zuschauer zu gleichen Teilen im dunklen gefangen und werden genötigt, den mit abstand plattesten Dialogen des laufenden Kinojahres zu lauschen. Doch auch die Schauspieler kann man nicht in Schutz nehmen. Fast ist es so, als wüssten sie das es hier nichts mehr zu retten gibt – Maria Bello sah man zuvor nie emotionsloser, Maggie Gyllenhaal wirkt deplaziert, als hätte sie sich auf dem Weg zu einem Comedycasting verlaufen. Die Frauenrollen sind so voll gestopft mit Klischees und bleiben so facettenlos, dass man sie ruhigen Gewissens auch hätte streichen können. Cage mit gewohnt bedeutungsschwangerer Miene ist auszuhalten, im Gegensatz zu seinem Village People Outfit. Hernandez ist zu kurz dabei als das man über sein Schauspiel sprechen könnte. Cage’s Leidensbruder Michael Pena gefiel mir in CRASH ebenfalls um Längen besser.

Für einen Moment, es waren vielleicht 30 Minuten des Films vorüber, dachte ich das Oliver Stone eventuell wirklich einen Trashfilm drehen wollte – Aber bei dieser Thematik? Nein. Später wird es einem dann aber bewusst: Der meint das tatsächlich ernst. Denn immer wenn wir denken es geht nicht mehr schlimmer, beweißt uns Stone das Gegenteil. Der völlig idiotische und ärgerliche Nebenstrang des Marinesoldaten stellt wirklich den Gipfel der Geschmacklosigkeit dar. Vergleichbare Schläge in die Magengrube liefern dann nur noch der Vitel-Jesus oder ein paar TV-Einschübe die als Tearjerker fungieren.

Einerseits wehrt sich der Film gerade zu davor den unaufhaltbaren Terror und die weltweite Katastrophe einzufangen (was sinnvoller gewesen wäre), indem er vorgaukelt es ginge ihm ja auch lediglich um die zwei verschütteten Personen. Um diese kümmert sich Stone allerdings nicht. Wie bereits erwähnt bekommt es der Zuschauer mit facettenlosen, klischeehaften Idealisten zu tun, deren Beweggründe für uns verschlossen bleiben. „inspired by true events“ heißt es auch zu Beginn dieses Films. Glück gehabt, sonst könnte man den Marinesoldaten und viele andere Dinge als schlechteste Darbietung der cineastischen Neuzeit einstufen.

Am Anfang sehen wir die amerikanische Flagge wehen, auch am Ende weht sie immer noch fleißig. Die Amerikaner, egal ob schwarz oder weiß, halten in der Not zusammen. Und so schafft es Oliver Stone eine schreckliche Niederlage für das Land aussehen zu lassen als wäre es ein Triumph. Verblendet nenne ich so etwas. Er selbst gibt die Antwort auf alle Fragen die wir uns nach diesem Film stellen: 2.749 Menschen starben im World Trade Center, 20 kamen lebendig heraus. Weil Stone den Fokus auf zwei Einzelschicksale legt, wirkt die Geschichte als wären zwei Bergsteiger in einer Schlucht gefangen. Doch nach der Rettung ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen – im Gegenteil – die Welt hat dicke Narben eingebüßt. Die volle Dramatik der Ereignisse bleibt auf der Strecke. Deswegen rechtfertigt kein Punkt den 9/11 Plot. Im Gegenteil: Seine flache, biedere Katastrophengeschichte im Soup-Format hätte Stone in einem beliebigen anderen Rahmen, der zur Einfallslosigkeit des Films passt, wohl um Längen besser bzw. passender arrangieren können. 1/10