Dienstag, September 26, 2006
Kino: ROAD TO GUANTANAMO
Das ich Michael Winterbottom für einen der besten und vielseitigsten Regisseure unserer Zeit halte, ist bekannt. Er hat mich längst mit Filmen wie CODE 46, THE CLAIM oder IN THIS WORLD verzaubert. So ist es nur verständlich, dass ich von einem solchen Regisseur ein wenig erwarte. Natürlich erst recht wenn er ein solch brisantes und heikles Thema wie die Gefangenen von Guantanamo Bay (im speziellen natürlich „The Tripton Three“) aufgreift und verfilmt. Ob ihm dieses Vorhaben geglückt ist, steht auf einem anderen Blatt Papier. Ich denke, dass man hier nicht verallgemeinern kann, sondern dass jeder für sich selbst entscheiden sollte ob er ROAD TO GUANTANAMO nun als miss- oder gelungen ansieht.
Das die Qualität der gezeigten Bilder hochwertig ist, steht außer Frage. Michael Winterbottom, der es ja sowieso wie kein Zweiter versteht mit verschiedenen Bildern die gewünschten Emotionslager des Publikums anzusprechen, schafft dies auch hier mit Bravur. Seine trockene Erzählweise, gepaart mit den dokumentarischen Elementen in Form von Off-Voices und Interview-Einschüben der Gepeinigten, entsetzt den Zuschauer ungemein. Die drei Opfer sitzen nahezu emotionslos auf einem Stuhl und erzählen was ihnen widerfahren ist. Diese Tatsache ist nicht nur hart, sonder zehrte auch an meinen Nerven. Mitleid kommt in Winterbottom’s Film in der Tat schnell auf. Aber ist es das, was Winterbottom mit ROAD TO GUANTANAMO erreichen will? Was möchte mir der Film mitteilen? Das die Amerikaner wie immer die Bösen sind? Schaut man sich einmal Winterbottoms Inszenierung an, könnte man das fast meinen und schnell wieder in einen FAHRENHEIT 9/11-artigen Komazustand fallen. Denn hier schießt der sonst so souveräne Regisseur ein paar gewaltige Böcke.
Was ich gar nicht mochte war, das Michael Winterbottom in seiner Beweisgebung durch und durch subjektiv bleibt. Die Welt die er schafft, ist von der ersten bis zur letzten Minute schwarz/weiß, nie waren die Rollen klarer verteilt. Die einen sind Gut die anderen Schlecht, dazwischen gibt es weit und breit nichts. Bei aller Liebe, aber so einfach kann man es sich nun wirklich nicht machen. Winterbottom scheint dies selbst bemerkt zu haben. Er schießt im letzten Drittel nämliche eine einzelne, unrelativierende Szene nach, in der einer der Gefangenen von einem Wärter vor einem Spinnenbiss gerettet wird. Nein, dieser eine Tropfen auf dem heißen Stein gibt mir ganz und gar nicht das Gefühl, dass Winterbottom die Taten und weniger die Menschen dafür verurteilt.
Sicherlich bietet ROAD TO GUANTANAMO ein paar sehr atmosphärische Szenen: Der LKW-Aufenthalt und die Szene, in der die Engländer mit Lichtreflexen und „Heavy Metal“-Musik gefoltert werden zeigen eindeutig welche Qualen die „Tripton Three“ durchleiden mussten. Auch durch das unermüdliche Wiederholen der absurden Befragungen schafft man es klar zu machen, wie idiotisch das Ganze war und ist. Leider appelliert Michael Winterbottom gerade gegen Ende weniger an den Menschenverstand des Zuschauers, als an dessen Hang zum Mitleid. Die letzte Szene wirkt nämlich nur noch wie ein Aufruf an die Tränendrüse und passt nicht in die konsequente Erzählung.
Winterbottom’s Film ist ohne Frage ein sehr brisanter und zeitgemäßer Film. Er mag genauso auch wichtig sein. Aber als gelungen würde ich seinen Film nicht unbedingt bezeichen. Die Sichtweise ist viel zu eindimensional ausgefallen, angehört werden wie zu Michael Moor’s Zeiten immer nur die Opfer, die Täter bleiben grau. Sicherlich geht es in erster Linie darum, die Geschichte der verlorenen Engländern zu erzählen. ROAD TO GUANTANAMO hätte es jedoch gut getan zu differenzieren. Keine Frage, die Schicksale der drei sind bewegend und schockierend, sie haben mich sehr mitgenommen. Doch muss ich das eher ihrem Leidensweg anrechnen als Winterbottom’s Film. Ja, gute Absichten alleine machen bekanntlich noch lange keinen guten Film.
5/10
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1 Kommentar:
@timo: Du kennst ja meine Meinung zu RtG, du schmeichelst den Film mit 50% immer noch! Ich wäre da radikaler!
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