Donnerstag, Juli 06, 2006
Kino: HWAL - THE BOW
Ein Boot schwimmt sachte auf dem ruhigen Meer umher. An Board sind nur ein alter Mann und ein kleines Mädchen. Wie liebevoll der Großvater doch mit seiner Enkelin umgeht, denkt man sich. Aber weit gefehlt. Das sechzehnjährige Mädchen und der gut dreimal so alte Greis sind ein Liebespaar. Da eine Frau aber erst mit siebzehn Jahren heiraten darf, zählt man schon die übrigen Tage, bis beide sich endlich vereinen dürfen. Als eines morgens bei den Fischern die das Boot des Alten mieten auch ein junger Mann ist, verliebt das Mädchen sich in ihn. Der Bootsherr reagiert darauf sehr ungehalten. Das junge Weib, hin und her gerissen von den beiden Männern, weiß nicht mehr wo ihr der Kopf steht. Doch eine Entscheidung muss her…
Kim Ki-Duk’s HWAL wurde schon auf den vergangenen Filmfesten des Jahres gefeiert. Bei der Premiere in Cannes wurde der Film als absolutes Meisterwerk gekürt. Eines vorne Weg: Diesem Ruf wird THE BOW ganz und gar nicht gerecht. Im Grunde genommen passierte das, was schon längst einmal zu erwarten war. Kim macht eine Bauchlandung.
Wäre THE BOW ein Schiff, so würde es wohl an allen Ecken und Enden lecken. Die Story ist nicht sonderlich interessant, gerade für Kim Fans ist dieses Thema eigentlich schon abgehakt. Spätestens nach BAD GUY hat man genug von der immer wieder kehrenden Geschichte des armen Mädchens, dass von einem arroganten Egoisten festgehalten wird, um ihr dessen Liebe aufzuzwingen. Im Gegensatz zu THE BOW schafft BAD GUY das ja noch mit Bravur, da die krasse Thematik nicht im Kontext mit der Inszenierung stand. BAD GUY war durch und durch Harsch & Grob, schaffte es dadurch aber eine gewisse Schönheit zu zeichnen. Bei THE BOW versuchte Kim Ki-Duk aber etwas anderes. Man erkennt ganz deutlich das er versucht die erbarmungslose Ehrlichkeit und die krasse Direktheit seiner früheren Film mit dem meditativen Flair und der geistigen Freiheit seiner letzten Filme (FRÜHLING, SOMMER, HERBST…, BIN JIP) zu verschmelzen. Doch das funktioniert rein gar nicht.
Auch Drehbuchtechnisch gibt es einiges zu beanstanden. So ist für mich die größte Frage diese: Warum sprechen die Hauptfiguren nicht? Wer Kim Ki-Duk kennt, wird jetzt wohl schmunzeln, doch ich meine das ernst. Hatten die Hauptcharaktere in seinen anderen Filmen noch einen Beweggrund für ihre Stummheit, so ergibt sich hier keinerlei Sinn darin. Die ganze Inszenierung fängt an zu wackeln, da beide Figuren es nicht schaffen, ihre Gefühle nur über die Mimik und die Gestik zu transportieren. Es kommen Leute auf das Schiff, sprechen zu beiden, doch Mädchen und Greis lächeln nur doof zurück. Das funktioniert so nicht. Wenn ich wie in „Bin Jip“ Emotionen per Medium Fotographie ausdrücke, dann ist das eine wunderbare Sache. Die Harmonie und Balance der beiden Charaktere hätte vielleicht nichts schlechter getan als wenn sie angefangen hätten zu sprechen. Doch eben nicht bei THE BOW. Hier haben Emotionen nicht wirklich denselben Stellenwert. Das „Schweigen“ fühlt sich wahnsinnig unecht an. Mir kommt es vor als wäre dies nur noch ein billiger Trick um in der Arthousewelt als innovativ zu gelten und Festivalbesucher einzulullen. Und diese Aussage schreit der Film grade zu heraus: „Ich bin innovativ: Meine Charaktere sprechen nicht, sie handeln sehr mystisch, und tief unter ihnen ist eine wichtige Message verborgen…“
Es kommt noch schlimmer. Stellenweise wirkt HWAL einfach nur wie ein „Best-Of“ aus Kims Filmographie. Wir haben wieder das Mädchen das ihren Peiniger liebt (BAD GUY, BIRDCAGE INN), das metaphorische Leben auf dem Wasser (FRÜHLING, SOMMER, HERBST…, SEOM – THE ISLE), die Tierquälerei früherer Werke wenn auch nur minimal (ADDRESS UNKNOWN, SEOM – THE ISLE), die stummen Protagonisten (SAMARIA, SEOM, ADDRESS UNKNOWN, usw.) - Ein einziges Ersatzteillager. Das alles fühlt sich so verkrampft an. Als wolle Kim Ki-Duk unbedingt zu alter Kreativität und Inspiration gelangen oder es eben wenigstens so aussehen lassen. Nie fiel mir die Künstlichkeit eines Ki-Duk Films so sehr auf wie hier. Es ist die reinste Farce. Das Meer ist die Bühne, das Schiff ihre Kulisse. Und dieses Bild entschwindet für keine Sekunde des Films, traurig aber wahr.
Dabei gibt es hier wirklich wunderbare Ansätze. Nehmen wir nur einmal die wirklich tolle Musik, die ähnliche Kräfte besitzt wie der Soundtrack zu BIN JIP. Außerdem besitzt THE BOW eine sehr gelungene Farbgebung. Die vielen Blautöne passen wunderbar zum Meer, wehrend die bunte Vielfalt das triste Bild des Films positiv aufhellt. Eben so gelungen auch die Symbolik des „Bogens“ (Namenseber des Films). So kann er nicht nur als Mordinstrument benutz werden, sondern auch als Instrument welches aufheitert und Ruhe spendet. (Bin Jip – Golfschläger). Eine schöne Illustration des von Kim Ki-Duk so geliebten Ying-Yang Ansatzes. Weiter besitzt „The Bow“ ein paar wirklich gelungene Aufnahmen, wie zB. die Schussszenen des Alten. Leider wird in den letzten 20 Minuten dann wieder mal einiges zerstört.
ACHTUNG SPOILER!
Wenn das Mädchen dann schließlich spirituellen Sex mit dem Geist des Verstorbenen hat, stehen dem Zuschauer die Haare zu Berge. Das ist dann nämlich wieder aus der Sparte: „Ich gehöre ins Arthousekino, nicht vergessen!“ Der Abschlusssatz (Wie bei Bin Jip) eignet sich höchstens dafür ihn an die Haustüre zu hängen. Dem Film gibt er keinen neuen Ansatz, außer das man wieder einmal das Grübeln anfängt, um die versteckte Botschaft zu knacken. Alles was er uns mitteilt, wissen wir schon seit den vergangenen 70 Minuten.
Die erste Hälfte war doch einfach noch interessant. Der Mann welcher sich die gewünschte Ehefrau „heranzüchtet“, das Mädchen, welche es einfach nicht anders kannte. Und hier sind wir wieder mal bei Kims häufiger Anti-Zivilisations-Haltung. Genau diese (FRÜHLING, SOMMER, HERBST…) ist es, die auch diese netten Denkansätze eher madig macht. Das Mädchen hatte es so wunderbar beim alten Mann, erst das moderne Leben, sprich die Zivilisation hat sie undankbar gemacht und verdorben. Das Bild welches hier gezeichnet wird, gefällt mir ganz und gar nicht: Sie hätte in Frieden wohl umsorgt leben können, doch die neumodische Musik, die „böse“ Zivilisation und ein junger Mann ziehen sie in ihr eigenes Grab. So tut dem Zuschauer der alte Mann am Ende ja noch eher Leid als das Jahre lang „verarschte“ Mädchen. No Thanks.
SPOILER ENDE!
Ki-Duk hat mit THE BOW meiner Meinung nach seinen schwächsten Film gedreht. Weg ist die Leidenschaft, fort auch der meditative Bann. Hier wird nur ein völlig altbackenes, stellenweise fast schon langweiliges „2 Personen-Theaterstück“ aufgeführt, welches dabei auch noch unheimlich neu und kunstvoll aussehen will. Klar hat THE BOW eine nette Optik, doch hält es sich mit ihm ähnlich wie mit Wong Kar-Wai’s völlig überschätztem „2046“ Beide sind wie eine Porzellanfigur – glänzend, Schön und zerbrechlich wirkend - aber vor allem Hohl. Das heißt Inhaltlich kommt THE BOW bei weitem nicht an die Qualität anderer Ki-Duk Filme ran, auch wenn Ansätze vorhanden sind. Das der Film aber nicht mal mir, als absolutem Kim-Fan gefällt, halte ich für äußerst bedenklich. Hoffen wir auf kommende Filme, sein neustes Werk TIME startet gerade in den koreanischen Kinos. Einen Ausrutscher darf man wohl wirklich machen. Vor allem bei 12 Filmen. 3-4/10
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