Mittwoch, Juni 14, 2006

DVD: BOOGIE NIGHTS


In dem Moment als die Credits das Bild verließen habe ich für mich erkannt, dass Paul Thomas Anderson einfach ein Genie ist. Seine Filme PUNCH DRUNK LOVE und MAGNOLIA sind großartige Werke, dennoch konnte ich mit BOOGIE NIGHTS schon immer mehr anfangen. Es ist ganz einfach beachtlich was dieser Mann aus Mittelklasseschauspielern herausholen kann: Ich hasse Thomas Jane, William H. Macy, Alfred Molina und Don Cheadle. Doch nicht in Andersons Film. Er holt sprichwörtlich auch den letzten Tropfen Talent aus ihnen heraus und schafft es, dass diese neben Größen wie Julianne Moore, Philip Seymor Hoffman und Burt Raynolds bestehen.

Anderson zeigt uns wieder einmal ein völlig fremdes Milieu, das uns fremder nicht sein könnte. Und doch schaffen es seine Figuren uns zu bewegen oder uns zu gefallen. Ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt der mir persönlich an BOOGIE NIGHTS so gefällt: Es wird eine Distanz zum Charakter aufgebaut, welche es zu brechen gilt. Diese Hürde nimmt jeder Zuschauer mit Bravur, als wüsste Anderson genau was in unseren Köpfen vorgeht.

BOOGIE NIGHTS fühlt sich eigentlich an wie eine Oper über Aufstieg und Fall, ist jedoch einfach auch so viel mehr. Geschickt unterteilt Anderson seine Geschichte in einen ersten und einen zweiten Akt, selbst wenn der Übergang fast fließend mit der Sylversternacht `79 verschwimmt. Wir sehen zunächst den Phänotyp, das Leben auf der Überholspur. Sex, Drugs and RockNRoll, ach was ist das Leben so einfach wenn man keine Probleme hat und alles harmoniert. Doch der Schein trügt, es folgt der Genotyp: Die taffe Sex-Königin ist in Wahrheit eine labiles Häufchen Elend auf der Suche nach ihrem verlorenen Kind, das naive Rollergirl hat Verlustängste und versucht den Schulabschluss zu wiederholen. Nein, Anderson hat uns sein Schmuddelmilieu über eine Stunde so schmackhaft gemacht um uns dann ein Brett vor den Kopf zu schlagen – Aufstieg und Fall gehen stets Hand in Hand, unabhängig von den Menschen die darin verwickelt werden.

Es gibt so vieles für das ich BOOGIE NIGHTS loben könnte, doch hier sollte noch einmal der geniale Soundtrack genannt werden, der selbst einem Cameron Crowe vor Neid erblassen lassen würde. Es gibt tatsächlich so gut wie keine Szene im gesamten Film die nicht mit wundervoller Musik unterlegt wurde. Ich persönlich halte diese Musikauswahl für genial, vielleicht auch eine der besten der Filmgeschichte.

Geht es darum in Bildern und Klängen Emotionen zu vermitteln, Augenblicke einzufangen oder Atmosphären festzuhalten, dann ist Paul Thomas Anderson wohl ein König. Selbst ein Zweieinhalbstündiger Film wirkt bei ihm straff inszeniert, besitzt nahezu keine einzige Länge. Kann mich nur wiederholen: BOOGIE NIGHTS ist ganz großes Kino und zählt zu meinen ganz persönlichen Lieblingsfilmen. 10/10

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