Dienstag, Juni 27, 2006

CINEMATIC GUIDE - Juli 2006

Lake House
Fand ja schon das japanische Original IL MARE toll. Das Remake scheint die Stimmungen und die Schwerpunkte gut eingefangen zu haben, außerdem wirken Bullock und Reeves sehr sympathisch in ihren Rollen. Sollte man mal antesten denke ich. Start: 06.07.06

Tom yum goong
Da ONG BAK schon ziemlich klasse war und Tony Jaa die Neuauflage von Bruce Lee darstellt, ist der Film auf jeden Fall Pflicht. Zumal die Produzenten diesmal ein richtiges Budget haben... Start: 06.07.06

Wolf Creek
Ein echter Old-School-Slasher mit einer gigantischen Atmosphäre. Auch wenn sich der FIlm seine Zeit nimmt, fesselte er mich doch schon sehr. Sicherlich keine Offenbarung, trotzdem ein überdurchschnittlicher Genrebeitrag aus dem Outback. Start: 13.07.06

Battle in Heaven
Kontrovers nur der Provokationes Willen oder eben einfach Kunst? Das muss geklärt werden und zieht mich deswegen auch so an. Nicht etwa die Sexszenen. Oder? Start: 20.07.06

Fun: VOICE ON WAX - Sie singt !

Paris Hilton singt,
ich finds' nicht mal schlecht.
Augen zu und nicht drüber nachdenken.
Obwohl, vielleicht die Augen doch auflassen...

Mittwoch, Juni 21, 2006

DVD: DIE KALTE SEE


Ein Rohdiamant des europäischen Kinos. DIE KALTE SEE ist ein packendes Familiendrama mit beinahe satirischen Einschüben einer schwarzen Komödie. Des Öfteren muss der Zuschauer sich entscheiden ob ihm der Atem stocken oder er laut los lachen soll. Regisseur Baltasar Kormakur erschafft eine Mischung aus Shakespeare und Thomas Vinterberg’s DAS FEST, die vielleicht noch ein stückweit erbarmungsloser mit den Herzen der Zuschauer umgeht.

Ágúst (Hilmir Snaer Gudnason) gab das Studium auf um in Frankreich zu komponieren. Eines Tages werden er und seine Geschwister Haraldur (Sigurdur Skulason) und Ragnheidur (Gudrún Gísladóttir) von Vater Thórdur (Gunnar Eyjolfsson) in ihre Heimat Island bestellt. Noch ahnt keiner den Grund für dieses Zusammen treffen, es wird ihnen allen aber schneller bewusst als sie es sich wünschen.

Das unheimlich talentierte Ensemble geht hier buchstäblich durch das Feuer des Familienbanns. Auf einen psychologischen Selbstfindungstrip lernt die Familie sich neu kennen und fängt erstmals an jede Probleme zu verarbeiten, welche sie seit der Flucht aus Island verdrängt hatten. Gerade in der 2. Hälfte hörte ich immer wieder die leise Stimme meines Unterbewusstseins, die mir flüsterte: „Sie sind schon in der Hölle“. Baltasar Kormakur nutzt die Kälte, die Tristheit und die einsame Weite Islands um somit die perfekte Symbiose eines Exils zu erschaffen, mit dem alle Beteiligten in ihrem Sündenpfuhl bestraft werden. Die Inszenierung ist dabei sehr straff und lückenlos, lässt zwischen den zahlreichen zynischen oder schwarzen Momenten und dem Sog aus menschlicher Schwäche nur wenig zeit zum verschnaufen.

DIE KALTE SEE ist einer dieser Filme, die ihren Zuschauer mit Haut und Haar verschlingen und ihn am Ende wieder ausspucken. Die sehr realistische Erzählung verpasste mir einen Kinnhaken den ich noch jetzt spüren kann. Mir fehlen immer noch etwas die Worte, kann aber definitiv sagen das dieser Film zu den besten gehört, die ich dieses Jahr bisher gesehen habe. Umso unverständlicher das diese Perle damals im Kino so untergegangen ist. 10/10

Dienstag, Juni 20, 2006

DVD: SCARED



Official Selection Fantasy Film Festival 2006

Tja, wo fängt man hier am besten an? Weil in Thailand der Slasher boomt, war es nur eine Frage der Zeit bis sie ihr schwarzhaariges, schleichendes Mädchen im Schrank verstauen und sich auf fremdes Terrain begeben. SCARED könnte man als thailändische Antwort auf HAUTE TENSION ansehen, selbst wenn er nie die Klasse und die Atmosphäre von Aja’s aggressivem Reißer erreicht. Hier handelt es sich eher um eine Mischung aus BATTLE ROYALE, ADVENTURE OF IRON PUSSY und den zeitgenössischen Teen-Slashern, in denen nach dem “Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip“ einer nach dem anderen abgemurkst wird.

Eines vorne weg: Objektiv betrachtet ist SCARED einer der vielleicht schlechtesten Filme die mir seit Jahren untergekommen sind. Das fängt bei den laienhaften Darstellern an und hört mit dem unpassenden, viel zu heiteren Soundtrack auf. Die Effekte sind unterste Schublade, düstere Atmosphäre kommt zu keinem Zeitpunkt auf. Eigentlich macht SCARED so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Schon nach ein paar Minuten merkt der Zuschauer, dass keiner der Wesen vor und hinter der Kamera von Tuten und Blasen auch nur die geringste Ahnung haben.

Ich schätze das genau hier der Reiz liegt: SCARED ist übelster Trash, keine Merkmale kommen über die eines B-Movies hinaus. Und dennoch bleibt der Film unheimlich sympathisch, nimmt sich nicht für eine Sekunde ernst. Ich habe den gesamten Film über vor lachen auf dem Boden gelegen, konnte mich an vielen Stellen kaum wieder einkriegen. SCARED lässt kein Horrorfilmklischee aus, sogar das asthmakranke Mädchen deren Spray auf der Flucht vor dem Killer abhanden kommt wurde nicht vergessen. Es macht wahnsinnig Spaß die absurden Tötungsszenen zu erleben, von denen es hier nun wirklich nicht wenig gibt. Eine ganze Schulklasse wird abgemetzelt, ein kranker Einfall jagt den nächsten. Mädchen werden in Telefonzellen vergast oder von Fensterhebern enthauptet, Jungs bekommen Holzpfähle durch den Hinterkopf oder werden von einem Jeep platt gemacht. Zeit zum durchatmen gibt es nicht. Alle 4 Minuten bekommt ein weiterer Schüler die Ehre in einer kleinen Soloszene qualvoll zu verenden. Gerade dieser hohe Bodycount, gepaart mit der immer anwesenden Unlogik und den total überzogenen Handlungsabläufen, macht es fast unmöglich den Film ernst zu nehmen.

Schließlich klaut der Regisseur sich auch noch durch sämtliche Slasher der Filmgeschichte. Die Motorsäge aus HAUTE TENSION kommt in einer ähnlichen Form genauso zum Einsatz wie verschiedene Momente aus THE DESCENT, TEXAS CHANSAW MASSACRE oder WRONG TURN. Der Plottwist gegen Ende animiert sehr zum schmunzeln, entkräftet er doch ein paar der scharfen Kritikpunkte, selbst wenn diese bis dorthin wahrscheinlich sowieso den meisten egal sein dürften. SCARED ist einfach ein extrem unterhaltsamer LowBudget-Schinken mit grässlicher Musik, schlechten Darstellern, einer total banalen, langweiligen Story und Logiklöchern, so groß wie Haustüren. Aber es scheint ein wenig als sei genau dies das Konzept des Films. Das Ende kann man doppeldeutig ja ebenfalls auf den Zuschauer beziehen. Insgesamt sehr, sehr netter Trash mit erhöhtem Blutfaktor. Genau das Richtige für eine Spätvorstellung auf dem FFF. Fun pur. 7/10

Montag, Juni 19, 2006

DVD: IN HER SHOES


Doppelter Geschlechtsakt: Maggie Feller (Cameron Diaz) steht völlig betrunken in einer Toilette und schiebt eine Nummer mit einem alten Schulfreund, den sie auf dem heutigen Klassentreffen wieder gesehen hat. Rose Feller (Toni Collette) kiegt im Bett mit einem ihrer Kollegen, muss noch ein Beweißfoto schießen weil ihr sonst wohl keiner glauben würde was passiert ist, ganz zu schweigen von ihr selbst. Das sind die Feller Schwestern, das klassische Beispiel für „Ungleiche Geschwister“. Rose rennt den ganzen Tag herum, arbeitet viel und verplant ihre Freizeit mit beruflichen Dingen, Maggie liegt bei ihrer Schwester zuhause auf der Couch, ruiniert deren Schuhe und schläft schließlich sogar mit deren Lover. Das ist nun wirklich zuviel des Guten, weswegen Rose Maggie auch vor die Tür setzt, damit sie ihr Leben endlich einmal selbstständig ordnet und Rose selbst wieder ein eigenes hat.

So der Ausgangspunkt der Geschichte. Viele werden vermutlich die Stirn runzeln, hört sich das Ganze doch nach einer Überportion Kitsch und dem üblichen RomCom-Verfahren an. Regisseur Curtis Hanson (L.A. CONFIDENTIAL, 8 MILE) springt jedoch gekonnt über viele Klischeepfützen hinweg und lässt IN HER SHOES nie zu einem sentimentalen Einheitsbrei oder einer verblödeten Girl-Comedy verkommen.

In erster Linie trägt dazu wohl das erstklassige Ensemble bei. Dass Shirley MacLaine eine großartige Schauspielerin ist, muss man wohl keinem Freund des Films mehr erzählen. Blieb sie in ihrer eindimensionalen Rolle bei BEWICHED auch noch so blass, hier springt der Funken sofort über. Sie verkörperte die quirlige Großmutter Ella nicht nur glaubhaft, sondern gibt ihr auch noch eine ganz persönliche Note mit auf den Weg. Nicht wieder zu erkennen ist hingegen Cameron Diaz: Mit ihrer Verkörperung der im Teenageralter stecken gebliebenen Mittdreißigerin manövriert sie sich nicht nur aus der Blödelecke (CHARLY’S ANGELS, VERRÜCKT NACH MARY), sondern liefert uns ganz spontan auch noch die beste Performance ihrer Karriere (zusammen mit VANILLA SKY). Ebenso kann auch Toni Collette in allen Belangen punkten, bleibt sie schließlich der Sympathieträger des gesamten Films, weil ihre Rolle in Zusammenhang mit ihrer Darbietung einfach unheimlich menschlich, real und nachvollziehbar bleibt. Selbst Mark Feuerstein hinterlässt in der Rolle des festen Freundes von Rose Feller keinen faden Beigeschmack. Was zuerst aussieht, wie eine Genretypische Bekehrung in Sachen Leben, wird unglaublich unaufdringlich vorgeführt und wirkt zu keiner Zeit lächerlich oder überhastet.

Curtis Hanson erfindet mit IN HER SHOES das Rad sicherlich nicht neu. Aber er zeigt uns wie viel man aus diesem Situationspool herausholen kann. Mit den Schuhen als Metapher für die jeweiligen Lebenswege der Schwestern liefert er ein unscheinbares, kraftvolles Perlchen der Tragik-Komödie ab. Hanson schickt Maggie zu ihrer Großmutter in eine Art Asyl, indem sie ihre Vergangenheit verarbeiten kann und den missglückten Versuch erwachsen zu werden wiederholen kann. Als sehr schön empfand ich hier die Symbolik: Maggies Selbstbewusstsein, welches ein Stück weit auch auf ihre Kleidung zurückgeht, ist sozusagen von ihrer Schwester abhängig. Erst sie macht ihr Erscheinungsbild komplett, indem sie unbewusst ihre Schuhe beisteuert. Als damit Schluss ist fängt Maggie wieder im Teenageralter an, trägt bei der Ankunft des Zuges ausgelatschte Converse, die Zeiten von Prada und Cho sind vorbei. Frei nach dem Prinzip „Kleider machen Leute“ begehen die zwei Schwestern auf diese Weise eine Gradwanderung, welche beide am Ende als geschliffene Edelsteine bzw. vollendete Individuen entlässt.

Sie können nicht mit, aber auch nicht ohne einander. Wo die Ursachen und die Lösung für dieses Probleme liegen, zeigt sich in genau der Szene, als Rose das erste Mal auf ihre Großmutter trifft. Maggie hat wahnsinnige Angst nun ihren Stellenwert im Leben der Großmutter einzubüßen, ebenso wie Rose Angst davor hat das ihr Verlobter die quirlige Schwester nicht mögen könnte (Genialer Gedankengang in dieser Szene). Wie es auch im Film an einer Stelle heißt: Ohne sie bin ich nicht komplett. Auch deswegen gehen am Ende beide ein Wagnis ein. Nur wenn untereinander Harmonie herrscht, kann auch der Rest geordnet ablaufen.

IN HER SHOES ist einer dieser Filme, in denen man pausenlos „Toll!“, „Wunderbar“ oder „Klasse!“ schreien könnte. Der Film wirkt erfrischend locker und leicht, ist zu keinem Zeitpunkt aufdringlich oder Gefühlsdusselig. Wenn man etwas kritisieren möchte, dann wohl das sich das Geflecht zum Ende hin etwas auflöst, vielleicht doch eins, zweimal etwas ruhrselig anmutet. Aber ansonsten ist IN HER SHOES ein großartiger Film, der es versteht seine Figuren so vorzustellen, dass der Zuschauer sie ganz schnell ins Herz schließt. Schaut man sich Genrekollegen an, die der Markt zur Zeit bietet, ist IN HER SHOES wahrhaftig ein König. 8-9/10

Freitag, Juni 16, 2006

Kino: CASTLE IN THE SKY


20 Jahre hat es gedauert bis Hayao Miyazaki’s Frühwerk „Tenkû no shiro Rapyuta“ auch über deutsche Kinoleinwände flimmern durfte. Eine Zeit die sich auf jeden Fall gelohnt hat! Für mich war es ein großes Wiedersehen, denn ich hatte CASTLE IN THE SKY das letzte Mal vor 5 Jahren gesehen und war damals hin und weg. Genauso erging es mir auch jetzt im Kino, wobei ich fast ein wenig mehr berührt wurde, kenne ich jetzt schließlich nahezu jeden Film von Miyazaki und sehe die vielen Verbindungen unter ihnen.

Weisenjunge Pazu arbeitet in einem Bergwergsstollen als Mechaniker. Er staunt nicht schlecht als eines Abends das Mädchen Sheeta vom Himmel schwebt und in seinen Armen landet. Diese wird nicht nur von Luftpiraten gejagt sonder auch noch vom Militär… Pazu wird schnell bewusst, dass Sheeta ein Geheimnis umgibt und macht sich mit ihr auf die Suche nach der Lösung ihrer Probleme.

Was Miyazaki auszeichnet ist vor allem der Spagat zwischen den wunderschönen Phantasiewelten, welche er wie ein Kind selbst erschafft und den zeitgenössischen, kritischen Untertönen seiner Geschichte. CASTLE IN THE SKY setzt dabei jeweils gezielte Akzente, die in vielen der nachfolgenden Werke aus der Feder von Hayao Miyazaki noch wichtige Rollen spielen sollen. Wie auch hier, sind in vielen seiner Filme die Hauptfiguren Vater- und Mutterlos, haben ihr Leben selbst in der Hand und sind sehr selbstständig. Es sind keine Kinder wie in anderen beliebigen Filmen: Sie sind nicht naiv, dumm, ängstlich und unerfahren. Ein wesendlicher Gesichtspunkt welcher diesen Film und weitere Werke Miyazakis auszeichnet. Er erzählt uns eine Geschichte über Verantwortung, Vertrauen und das Erfüllen unser Träume. Der Zeichenstil bleibt unverwechselbar und unterscheidet sich kaum von neueren Werken. CASTLE IN THE SKY ist ein zeitloses Fantasy-Massiv und könnte deshalb auch genauso gut aus dem Jahr 2005 stammen.

Sehr unaufdringlich behandelt der Film Themen wie Machtbesessenheit, Krieg oder der Angst davor, dass der Fortschritt unsere Zivilisation irgendwann auslöscht. Diesen Aspekten steht er aber stets ironisch gegenüber. Er liefert unter dieser Schablone genug Momente zum schmunzeln, ebenso aber auch genug Denkansätze und Deutungsmöglichkeiten. Die Liebe zur Geschichte „Gullivers Reisen“ sieht man CASTLE IN THE SKY natürlich an, er zitiert diesen an ein paar kleinen Stellen sogar. Hayao Miyazaki ist einerseits das Kleinkind mit blühender Phantasie, anderseits ein sehr weiser, alter Mann. Das macht seine Filme nicht nur unverwechselbar, sondern auch unvergesslich. Dieser Film ist dabei, dicht gefolgt von MONONOKE-HIME und SPIRITED AWAY, welche selbst auch einzelne Fäden von CASTLE IN THE SKY aufgreifen und weiterführen, mein liebster Miyazaki. Mögen andere seiner Werke etwas reifer oder komplexer wirken, bleibt CASTLE IN THE SKY doch der Anfang… bzw. die Mutter seiner folgenden Filme. 10/10

Mittwoch, Juni 14, 2006

DVD: BOOGIE NIGHTS


In dem Moment als die Credits das Bild verließen habe ich für mich erkannt, dass Paul Thomas Anderson einfach ein Genie ist. Seine Filme PUNCH DRUNK LOVE und MAGNOLIA sind großartige Werke, dennoch konnte ich mit BOOGIE NIGHTS schon immer mehr anfangen. Es ist ganz einfach beachtlich was dieser Mann aus Mittelklasseschauspielern herausholen kann: Ich hasse Thomas Jane, William H. Macy, Alfred Molina und Don Cheadle. Doch nicht in Andersons Film. Er holt sprichwörtlich auch den letzten Tropfen Talent aus ihnen heraus und schafft es, dass diese neben Größen wie Julianne Moore, Philip Seymor Hoffman und Burt Raynolds bestehen.

Anderson zeigt uns wieder einmal ein völlig fremdes Milieu, das uns fremder nicht sein könnte. Und doch schaffen es seine Figuren uns zu bewegen oder uns zu gefallen. Ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt der mir persönlich an BOOGIE NIGHTS so gefällt: Es wird eine Distanz zum Charakter aufgebaut, welche es zu brechen gilt. Diese Hürde nimmt jeder Zuschauer mit Bravur, als wüsste Anderson genau was in unseren Köpfen vorgeht.

BOOGIE NIGHTS fühlt sich eigentlich an wie eine Oper über Aufstieg und Fall, ist jedoch einfach auch so viel mehr. Geschickt unterteilt Anderson seine Geschichte in einen ersten und einen zweiten Akt, selbst wenn der Übergang fast fließend mit der Sylversternacht `79 verschwimmt. Wir sehen zunächst den Phänotyp, das Leben auf der Überholspur. Sex, Drugs and RockNRoll, ach was ist das Leben so einfach wenn man keine Probleme hat und alles harmoniert. Doch der Schein trügt, es folgt der Genotyp: Die taffe Sex-Königin ist in Wahrheit eine labiles Häufchen Elend auf der Suche nach ihrem verlorenen Kind, das naive Rollergirl hat Verlustängste und versucht den Schulabschluss zu wiederholen. Nein, Anderson hat uns sein Schmuddelmilieu über eine Stunde so schmackhaft gemacht um uns dann ein Brett vor den Kopf zu schlagen – Aufstieg und Fall gehen stets Hand in Hand, unabhängig von den Menschen die darin verwickelt werden.

Es gibt so vieles für das ich BOOGIE NIGHTS loben könnte, doch hier sollte noch einmal der geniale Soundtrack genannt werden, der selbst einem Cameron Crowe vor Neid erblassen lassen würde. Es gibt tatsächlich so gut wie keine Szene im gesamten Film die nicht mit wundervoller Musik unterlegt wurde. Ich persönlich halte diese Musikauswahl für genial, vielleicht auch eine der besten der Filmgeschichte.

Geht es darum in Bildern und Klängen Emotionen zu vermitteln, Augenblicke einzufangen oder Atmosphären festzuhalten, dann ist Paul Thomas Anderson wohl ein König. Selbst ein Zweieinhalbstündiger Film wirkt bei ihm straff inszeniert, besitzt nahezu keine einzige Länge. Kann mich nur wiederholen: BOOGIE NIGHTS ist ganz großes Kino und zählt zu meinen ganz persönlichen Lieblingsfilmen. 10/10

Dienstag, Juni 06, 2006

CINEMATIC GUIDE - Juni 2006

Ja, endlich eine neue Rubrik!
Hier versammle ich jeden Monat meinen imaginären Einkaufszettel für das Lichtspielhaus. Hier gibt es alle meiner Meinung nach sehenswerten Filme im Überblick, Plus "absolute Dont's". Vielleicht kann ich dem einen oder anderen die Entscheidung erleichtern.

Drawing Restraint
Magischer Trailer der beweißt: Entweder totaler Nonsens oder poetisches Havanna. Freue mich nicht zuletzt wegen Björk riesig auf den FIlm, selbst wenn man nicht wirklich viel erwarten kann. Kurzfilmemacher Matthew Barney hat ja schon mit der CREMASTER -Reise etwas, nun ja...sagen wir sehenswertes abgeliefert. Also optimistisch bleiben. Start: 08.06.2006

Castle in the Sky
Sehr viel Vorfreude! Nicht nur das mein absoluter Lieblingsghibli es nach Deutschland geschafft hat, er bekam auch noch eine Kinoauswertung. Und das zum 20. Geburtstag des Films. Hoffe dieser Miyazaki kann auch hier wieder mehrere tausend Zuschauer verzauber...Mich hat er schon. Bietet nicht nur die schönsten Zeichungen und Artworks, sondern auch eine herzzerreißende Geschichte. Start: 08.06.2006

Tarnation
Hat ebenfalls eine erhebliche Zeit gebraucht um in Deutschlands Kinos zu landen. Die Kinoauswertung war uhrsprünglich direkt nach Cannes 2004 geplant, anschließend verschwand er in einer Studioschublade. Anscheinend hat das Warten aber nun ein Ende. War von Anfang an sehr interessiert an diesem Stoff, werde um einen Kinogang, sollte es genügend Kopien geben, auch nicht herum kommmen. Start: 08.06.2006

Ronda Nocturna (Der Nachtschwärmer)
Verspricht ein stilistisches Hi-End Drama zu werden. Im Vorfeld bezeichnete man den Film es öfteren als "dunkle Variante von Jeunets Amelie". Das lässt mich natürlich aufhorchen. Meine Erwartungen sind zwar nicht sonderlich hoch, bin aber dennoch sehr gespannt auf diese kleine Reise. Start: 15.06.2006

Slither
Oldschool Baby. Aber sowas von. Mochte die Arbeit von James Gunn schon beim gelungenen Remake zu Romero's DAWN OF THE DEAD. Sieht aus wie eine sehr lustige, ekelhafte Schlachtplatte mit reichlich fießen Ideen und schrägen Sprücken. Mit ein wenig Glück erlebe ich hier einen kleinen dreckigen B-Movie mit A-Movie Budget. Daumendrücken. Start: 22.06.2006

Hard Candy
Wohl neben PAN'S LABYRINTH, MARIE ANTOINETTE und SOUTHLAND TALES mein absolutes mustSee. Glaubt es mir: Ellen Page ist die diesjährige Dakota Fanning und kommt sehr bald ganz groß raus (Mal abgesehen von ihrer Rolle in X-MEN 3). Die Grundidee des Films ist einfach mal was ganz anderes, deswegen freue ich mich so auf HARD CANDY. Außerdem ist 2006 auf jeden Fall ein Horror/Thriller-Jahr... muss also gut laufen. Start: 29.06.2006

L'Enfer (Wie in der Hölle)
Weiß nicht viel drüber. Aber der Trailer sieht sehr interessant und verspielt aus. Sicher nicht die erste Wahl an der Kinokasse, dafür aber vielleicht eine Art Geheimtipp. Start: 29.06.2006

Samstag, Juni 03, 2006

Kino: FLUG 93



Ich hätte nicht gedacht, dass man ein so brisantes und heikles Thema angemessen verfilmen kann. Die Angst war dann doch zu groß am Ende einen patriotischen, geldgeilen oder weichgespülten Film zu erhalten, der diese tragische Geschichte für eigene Zwecke ausschlachtet. (siehe Trailer zu Stone’s WORLD TRADE CENTER) Umso mehr überraschte es mich wie minimalistisch Greengrass hier vorgeht, die Tragödie an sich fokussiert und nicht in Sentimentalität oder Schwarz-Weiß Zeichnung untergeht. Es gibt hier keinen klassischen Bogen: Die Figuren werden nicht in Gut- und Böseschubladen gesteckt. FLUG 93 betrachtet die Ereignisse unheimlich realistisch, fast schon nüchtern. Die Handkamera unterstreicht dies zusätzlich.

Was mir besonders gut gefallen hat ist der Blickwinkel aus dem Greengrass auf die Ereignisse blickt. Er zeigt uns eine Welt vor dem 11. September, die für mich heute fast ungreifbar weit weg scheint. Eine Welt in der Terroranschläge, Al Qaida und die Angst vor diesen nicht an der Tagesordnung standen und bei weitem weniger einschüchternd wirkten wie heute. Das Greengrass auf Laiendarsteller setzt macht das den Film natürlich um ein Vielfaches zugänglicher. Man fühlt sich eingesaugt und im Klammergriff gehalten, kann sich dem Gezeigten kaum entziehen. Auf der Suche nach Unterhaltungskino verläuft man sich in FLUG 93 jedoch, ist es schließlich mehr die geschichtliche Aufarbeitung des Stoffes als Popcornkino.

Du siehst einen Araber auf der Straße und schaust ihn prüfend an. Jetzt, in genau diesem Augenblick wird dir bewusst was der 11. September eigentlich angerichtet hat. Er hat uns ein Stück weit die Unbefangenheit geraubt und uns stattdessen einen Mantel aus Einschüchterung und Vorurteilen auferlegt. Das zeigt FLUG 93 ganz deutlich: sobald wir nach neunzigminütigem Leidensweg der Passagiere das Kino verlassen, erinnern wir uns daran. Dieser Tag hat die Welt verändert. Seit diesem ist nichts mehr so wie es einmal war. Die Tränen welche ich am Ende in den Augen hatte waren nicht nur eine Huldigung an die Opfer. Nein, sie gebühren auch Paul Greengrass, denn er hat mir mit seinem schnörkellosen, minimalistischen Film ein Monument geschaffen. Ein Ort, auf Zelluloid gebannt, der dabei hilft uns zu erinnern. An die Opfer, jenen Tag, aber auch an die Tatsache das sich in unserer Welt noch sehr viel verändern muss.

Mögen ein paar filmische Aspekte wie der übermäßige Gebrauch von Handkameras oder ein paar wenige Längen für andere vertretbar bleiben (gerade die Kamera war nie passender), so erlebte ich mit FLUG 93 doch einen sehr intensiven, gefühlvollen Film den ich in dieser Form hier so nicht erwartet hätte. Danke. 8-9/10