Montag, April 17, 2006
"Die Zeit, die bleibt" - Tag am Meer
“Just a perfect day,
Problems all left alone,
Weekenders on our own.
It's such fun.
Just a perfect day,
You made me forget myself.
I thought I was someone else,
Someone good.
Oh it's such a perfect day,
I'm glad I spent it with you.
Oh such a perfect day,
You just keep me hanging on,
You just keep me hanging on.”
Es gibt Filme die einen nicht mehr so schnell loslassen. Hier könnte ich problemlos Eastwood’s MILLION DOLLAR BABY oder Amenabar’s MAR ADENTRO aufzählen. Nun hat Francois Ozon ebenfalls einen solchen Film geschaffen, der mir letzten Endes sogar noch mehr zusetzte als die beiden anderen es taten. Ozon der mit UNTER DEM SAND seine Trilogie des Leidens begann, führt diese nun mit DIE ZEIT, DIE BLEIBT weiter. Es geht dabei um den jungen, erfolgreichen Modefotografen Romain (Melvil Poupaud). Er wird aus seiner perfekt scheinenden Welt gerissen als bei ihm ein wahrscheinlich unheilbarer Tumor diagnostiziert wird. Romain verzichtet auf eine Chemotherapie und versucht „die Zeit, die bleibt“ anderweitig zu nutzen.
Ozon’s neuer Film ist anders als die bisherigen Filme die ich von ihm kenne. Die Stimmung ist durch und durch depressiv und melancholisch. Der Zuschauer wird schon nach kurzer Zeit mit in dieses trübe Wasser gezogen, als Romain seine Diagnose gestellt bekommt. Auf sehr nüchterne Art und Weise wird uns klar gemacht, dass es hier ein Ende gibt, welches unaufhörlich in unsere Richtung treibt, egal was wir oder Romain auch tun. Wie so oft in Ozon’s Filmen spielt auch hier das Meer eine große Rolle. Als Metapher für das Leben beginnt und endet der Film am Strand. In gewohnt starken Bildern erzählt uns Ozon von dem Schicksal dieses kranken Mannes. Die Kamera fängt die hypnotischen Bilder oft zu unfassbar schwermütiger Musik ein. Sehr häufig bekommen wir Nahaufnahmen von Gesichtern präsentiert. Und das wirkt in den meisten Fällen sehr stark auf den Zuschauer ein.
Getragen wird der Film natürlich in erster Linie vom grandiosen Schauspiel des Hauptdarstellers, Melvil Poupaud. Dieser versteht es Dialoge auszulassen und diese stattdessen über Gestik und Mimik zu transportieren. Man könnte ihm noch stundenlang dabei zusehen wie er durch das Bild geistert. Auch die Nebenrollen sind wunderbar gespielt, zu nennen wäre da sicher auf jeden Fall die Großmutter Romains, gespielt von Jeanne Moreau. Ozon versteht es, eine Diva wie sie ins rechte Licht zurücken und wirken zu lassen, das stellte er schon bei 8 FRAUEN unter Beweiß.
Mir hat DIE ZEIT, DIE BLEIBT wirklich sehr gefallen, selbst wenn der Film nicht gänzlich frei von Mängeln ist. Vielleicht trägt Ozon an der einen oder anderen Stelle etwas dick auf. Vielleicht wirkt er in manchen Einstellungen etwas kitschig. Vielleicht zeichnet Ozon in der ersten Hälfte ein wenig zu unsubtil. Doch genau wie in MAR ADENTRO kann ich das gut verschmerzen, wenn ich einen so bewegenden Film erleben darf und diese Merkmale nie die Überhand nehmen. Es ist wunderbar, Romain dabei zuzusehen wie er auf die Ereignisse reagiert. Als er von der Krankheit erfährt überschlägt sich seine Welt. Er bemerkt erst jetzt den Verlust seiner unbeschwerten und unschuldigen Kindheit. Und so macht er sich auf die Suche danach. Er versucht seine Familie und seinen Freund ins Abseits zu drängen, damit die Menschen die er liebt nicht den gleichen Schmerz erleiden müssen wie er. Francois Ozon zeigt uns das es nicht geht. Die Menschen die dir teuer sind werden auf diese Weise nicht weniger leiden. Anhand der Großmutter bekommen wir ein eindruckvolles Spiel darüber geboten, wie wichtig es ist was Menschen sagen und noch wichtiger: Was sie nicht sagen. Jeder Mensch, den Romain über seine Krankheit aufklärt, versucht ihm im gleichen Maße an Emotionslosigkeit entgegen zutreten wie er selbst es tut.
Wieso sticht es mir so ins Herz, diesen Akt der panischen Distanz zu beobachten? Vielleicht weil ich es als menschlich empfinde, ob richtig oder falsch sei einmal außer acht gelassen. Ich könnte mir vorstellen in derselben Situation genauso oder sehr ähnlich zu reagieren. Ich würde versuchen meine teuersten Menschen von dieser Trauer fernzuhalten. Ich würde versuchen dies ganz mit mir selbst auszumachen. Und genau das versucht Romain. Er fotografiert alle Eindrücke dieser Zeit, als wolle er sie krampfhaft am vorübergehen hindern.
Erst als er am Ende im Sand des Strandes liegt, kann er sich mit seiner verloren Kindheit versöhnen, und so auch mit sich selbst endlich Frieden schließen. Und so legt er sich hin und macht die Augen zu. Vermeintlich geht er jetzt noch einmal die Bilder seiner Kamera durch und prägt sie sich ein, um sie an den unbekannten Ort mitnehmen zu können. Und dann, als er so ganz alleine am Strand liegt, nicht lebendig und auch nicht tot, bricht mir Ozon mein Herz. Er schafft mit DIE ZEIT, DIE BLEIBT nicht nur seinen intimsten Filme, er bringt mir auch etwas sehr wichtiges näher: Das Sterben ein sehr einsames Unterfangen ist. Vielleicht sogar unsere einsamste Handlung von allen.
Francois Ozon hat mit DIE ZEIT, DIE BLEIBT einen zutiefst deprimierenden Film geschaffen, der vielleicht nicht an die Raffinesse von SWIMMINGPOOL herankommt, dafür auf menschlicher und emotionaler Ebene klar als Sieger hervor geht. Mit tollen Einstellungen, grandiosen Darstellern und der auf den ersten Blick so abgekauten Geschichte macht Ozon diesen sehr persönlichen Film zu einem echten Highlight. Zwar schwer verdaulich, dafür aber sehr nachhaltig. Wieder einmal wird einem bewusst: Dies ist nicht die Generalprobe für das richtige Leben. Also nutze die Zeit die dir gegeben wurde.
9/10
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7 Kommentare:
Vorfreude geweckt. Danke.
Das hoffe ich. Bitte sehr. ;-)
*lieb guck*
Mal was Anderes: Du schriebst vor einer Woche oder so unter einem anderen Deiner Blogeinträge (Wächter des Tages war das, glaube ich), Du hättest irgendein "Schmankerl" für mich - oder habe ich da was falsch interpretiert? Da Du seitdem nichts mehr dazu geschrieben hast, frage ich mal ganz unaufdringlich und bescheiden: Was für ein "Schmankerl" meintest Du? Und wann kriege ich es? *g*
Keine Ahnung, was für ein Schmankerl der Ebert für dich hat, aber ich habe durchaus eins für dich: Nämlich einen bis auf die Grundfesten abgerissenen und vom Eckstein an neu aufgebautes Blog, bei dem sich jetzt auch durchaus mal wieder das Vorbeischauen lohnt, nachdem in der alten Version ja seit ungefähr drei Wochen nichts mehr geschehen war.
Tja, da man dich ja irgendwie in deinem Blof nicht mehr erreichen kann, erfährst du's jetzt halt aus diesem Wege. Wieso? Na, ganz einfach.
Ich würde mich über dich als möglichst regelmäßigen Leser natürlich sehr freuen.
Nicht der Ebert, sondern der Timo. *wink*
Re: Blog:
Klar, werde gerne mal vorbeischauen. :-) Jetzt aber erstmal gehe ich schlafen.
doch doch, richtig verstanden. entschuldigt bitte meine schlamperei! die schmankerln für euch beide gehen morgen mittag raus, versprochen ;-)
@timo:
Hast du eigentlich meine E-Mail zwecks meiner Blog-Neueröffnung und damit verbundener gegenseitiger Verlinkung erhalten?
Sonst schicke ich die noch mal los.
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