Mittwoch, April 26, 2006

"Sad Movie" - All you need is Love


Macht seinem Namen alle Ehre. Klar das dieser an einigen Ecken etwas kitschig daher kommt, dass gehört ja irgendwie zur Idee. Es scheint als wollte man einen typischen TV-Film groß angelegt ins Kino bringen. Man verwendet gute Schauspieler und erzählt mehrere kleine Geschichten. Das funktioniert zunächst recht gut. In erster Linie lebt SAD MOVIE natürlich von seinem fabelhaften Ensemble und seinem Soundtrack. Eine Art “Who is Who” der koreanischen Newcomer: Min-A Shin (MADELEINE, A BITTERSWEET LIFE, VOLCANO HIGH, BEAUTIFUL DAYS), Jung-ah Yum (H, TALE OF TWO SISTERS, CUT), Su-jeong Lim (TALE OF TWO SISTERS, ...ING), Woo-sung Jung (A MOMENT TO REMEMBER, MUSA, BORN TO KILL). Die Liste kann man problemlos weiter führen. Die nebeneinander verlaufenden Episoden waren allesamt toll, aber gerade Min-a Shin und Su-jeong Lim zusammen im Bild legen einiges Holz vor. Insgesamt vielleicht ein wenig vorhersehbar und sentimental. Aber das war mir beim lesen des Titels irgendwie klar. Außerdem dominieren die tollen Momente. Eine wunderbare Rom-Com im tragischen Gewand, Made in Korea. Eigentlich läuft hier alles perfekt. Das große Problem bei der Sache ist schlicht und ergreifend das SAD MOVIE rein gar nichts Außergewöhnliches hat. Man bietet uns eher eine sehr kommerzielle Geschichte an, dafür aber auf höchstem Niveau. 7-8/10

Dienstag, April 25, 2006

"Das geheime Leben der Worte" - Through the Barricades



Worte benutzt man täglich mehrfach. Man denkt gar nicht mehr über sie nach. Es scheint fast als habe man deren enorme Kraft und Wirkung vergessen. Isabel Coixet schaffte es nun einen Film über genau diese Barriere zu zaubern, der aufzeigt wie man ganze Leben mit einfachsten Mitteln heilt, säubert und verändert: mit Worten.

Hanna (Sarah Polley)geht Tag für Tag auf die Arbeit, isst ihren Reis und ihr Hühnchen, häkelt und schläft. Jeden Tag der gleiche Trott, bis sie von ihrem Chef gezwungen wird ein paar Wochen auszuspannen. Mit der neu gewonnenen Ruhe kann Hanna jedoch recht wenig anfangen, weshalb sie auch die Chance nutzt und gleich wieder in die Arbeit flüchtet. Auf einer Bohrinsel sucht man nämlich übergangsweise eine Krankenschwester, die sich um ein Brandopfer kümmern soll. Der vorerst blinde Josef (Tim Robbins) kann Hanna nicht sehen, doch erschafft er sich durch deren Worte ein eigenes Bild. Nach und nach kommen sich beide näher, erkennen ein paar große Gemeinsamkeiten: Der innere Schmerz und die Unsicherheit, welche es zu erforschen gilt.


Es ist wirklich faszinierend wie Madame Coixet mit Worten umgeht, ihnen Nachhaltigkeit und Anmut verleiht. Josef und Hanna sind sich so wahnsinnig ähnlich, auch wenn diese zu Anfang nicht so scheint. Hanna versucht ihren Schmerz zu verbergen, indem sie nicht spricht und sich aus unserer Welt ausklinkt, Josef überspielt den Schmerz indem er wild drauflos plappert. Es brauch ganz einfach Zeit bis beide ihre Hüllen fallen lassen. Coixet’s Beitrag zur menschlichen Kommunikationsfähigkeit und darüber, dass wir anfangen zu vergessen was Worte bewirken können, hat mich sehr beeindruckt. Fast minimalistisch tastet sich Isabel Coixet an den Kern der Geschichte heran, geht dabei unglaublich liebevoll und behutsam mit ihren Figuren um. Die Wahl der Darsteller erwies sich als goldrichtig: Sarah Polley mimt die stille, introvertierte Hanna oscarreif. Ihr überzeugendes Spiel wirkt zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt oder unglaubwürdig, sie bietet stets eine breite Reflektionsfläche. Tim Robbins hat es da sogar etwas schwerer, da er zu Beginn auf seine Mimik angewiesen ist, bzw. nur auf diese zurückgreifen kann. Zu meiner großen Überraschung gelingt es ihm neben Polley zu bestehen. War er mir auch in vielen seiner Filme unsympathisch (Zuletzt bei WAR OF THE WORLDS), knüpft er hier wieder an seine starken, früheren Leistungen an (JACOBS LADDER, MYSTIC RIVER). Das Spiel und die Harmonie zwischen beiden Akteuren sind wahnsinnig stark.

Urlaub vom Leben, so könnte ein Untertitel des Films lauten. Zwei Seelen die sich irgendwo im Niemandsland auf einer Insel treffen, welche sie sich selbst schaffen. Die Bohrinsel funktioniert perfekt als Auszeit, als Hort der gestrandeten Seelen. Coixet versteht ihr Handwerk, weiß in traumhaften Bildern zu erzählen und den Zuschauer in Fotografien versinken zu lassen. Zusammen mit dem wunderschönen Soundtrack, der so traumhaft eingesetzt wird, entstehen sehr schwermütige Szenen, die sich tief auf der Netzhaut einbrennen. Über zwei Drittel des Films erzählt man mir eine der mit Abstand faszinierendsten Geschichten des laufenden Kinojahres. Selbst mit der schwer verdaulichen Offenbarung Hannas, die vielleicht ein wenig zu brachial ausfiel, könnte ich bestens leben. Leider blendet Isabel Coixet nicht mit dem Verlassen der Bohrinsel aus, sondern führt die Geschichte weiter. Es entsteht ein merkwürdiger Liebesplot, der die gewonnene Sensibilität ein Stück weit demontiert. Die analytischen Worte einer Julie Christie über die geschundene Seele eines vom Leben gebeutelten Menschen ist lobenswert, bringen jedoch den Zuschauer zu keiner Erkenntnis die er nicht auch ohne diesen Monolog erhalten hätte. So bewegt sich DAS GEHEIME LEBEN DER WORTE gegen Ende in einem Strudel aus Sentimentalität, die dem restlichen, so perfekten Filmchen gar nicht steht. Schließlich kann mich Coixet jedoch besänftigen, indem sie eine wunderschöne Schlussszene präsentiert.


Wieder sitzt Hanna still und versunken in Gedanken vor der Kamera. Ein letztes Mal erklingt die imaginäre Stimme, welche uns schon in den Film einführte. Als die letzten Worte ausklingen und das Schlussbild einsetzt, erkennen wir auf einmal die unsichtbare Freundin Hannas. Es jemand den wir alle nur zu gut kennen, und die es uns ermöglicht Hannas Schicksal einen Deut besser zu verstehen, denn auch gegen Schluss wirkt sie auf uns immer noch mystisch und unergründlich. Es ist die Einsamkeit, die immer wieder zu Hanna spricht. Es ist aber auch die Einsamkeit, die am Ende verschwindet.

Isabel Coixet schafft hier stellenweise schon etwas Einzigartiges. Die Inszenierung ist rührend und doch ehrlich, die Essenz wichtig, aber nicht abgedroschen. DAS GEHEIME LEBEN DER WORTE ist deshalb ein sehr gelungenes Drama das vor allem von seinem Darstellergespann Polley/Robbins getragen und vom wunderschönen Soundtrack (Anthony and the Johnsons – „Hope theres someone“, jetzt schon einer DER Songs 2006) zusätzlich beflügelt wird. Wem eine wehmütige Extraportion Gefühlsduseligkeit und Sentimentalität gegen Ende des Films nicht zu viel ist, wird hier ein echtes kleines Kinoperlchen finden. Mich hat DAS GEHEIME LEBEN DER WORTE jedenfalls sehr berührt, sodass ich mich jetzt endlich zu MEIN LEBEN OHNE MICH durchringen kann. 8/10

Montag, April 17, 2006

"Die Zeit, die bleibt" - Tag am Meer


“Just a perfect day,
Problems all left alone,
Weekenders on our own.
It's such fun.

Just a perfect day,
You made me forget myself.
I thought I was someone else,
Someone good.

Oh it's such a perfect day,
I'm glad I spent it with you.
Oh such a perfect day,

You just keep me hanging on,
You just keep me hanging on.”


Es gibt Filme die einen nicht mehr so schnell loslassen. Hier könnte ich problemlos Eastwood’s MILLION DOLLAR BABY oder Amenabar’s MAR ADENTRO aufzählen. Nun hat Francois Ozon ebenfalls einen solchen Film geschaffen, der mir letzten Endes sogar noch mehr zusetzte als die beiden anderen es taten. Ozon der mit UNTER DEM SAND seine Trilogie des Leidens begann, führt diese nun mit DIE ZEIT, DIE BLEIBT weiter. Es geht dabei um den jungen, erfolgreichen Modefotografen Romain (Melvil Poupaud). Er wird aus seiner perfekt scheinenden Welt gerissen als bei ihm ein wahrscheinlich unheilbarer Tumor diagnostiziert wird. Romain verzichtet auf eine Chemotherapie und versucht „die Zeit, die bleibt“ anderweitig zu nutzen.


Ozon’s neuer Film ist anders als die bisherigen Filme die ich von ihm kenne. Die Stimmung ist durch und durch depressiv und melancholisch. Der Zuschauer wird schon nach kurzer Zeit mit in dieses trübe Wasser gezogen, als Romain seine Diagnose gestellt bekommt. Auf sehr nüchterne Art und Weise wird uns klar gemacht, dass es hier ein Ende gibt, welches unaufhörlich in unsere Richtung treibt, egal was wir oder Romain auch tun. Wie so oft in Ozon’s Filmen spielt auch hier das Meer eine große Rolle. Als Metapher für das Leben beginnt und endet der Film am Strand. In gewohnt starken Bildern erzählt uns Ozon von dem Schicksal dieses kranken Mannes. Die Kamera fängt die hypnotischen Bilder oft zu unfassbar schwermütiger Musik ein. Sehr häufig bekommen wir Nahaufnahmen von Gesichtern präsentiert. Und das wirkt in den meisten Fällen sehr stark auf den Zuschauer ein.

Getragen wird der Film natürlich in erster Linie vom grandiosen Schauspiel des Hauptdarstellers, Melvil Poupaud. Dieser versteht es Dialoge auszulassen und diese stattdessen über Gestik und Mimik zu transportieren. Man könnte ihm noch stundenlang dabei zusehen wie er durch das Bild geistert. Auch die Nebenrollen sind wunderbar gespielt, zu nennen wäre da sicher auf jeden Fall die Großmutter Romains, gespielt von Jeanne Moreau. Ozon versteht es, eine Diva wie sie ins rechte Licht zurücken und wirken zu lassen, das stellte er schon bei 8 FRAUEN unter Beweiß.


Mir hat DIE ZEIT, DIE BLEIBT wirklich sehr gefallen, selbst wenn der Film nicht gänzlich frei von Mängeln ist. Vielleicht trägt Ozon an der einen oder anderen Stelle etwas dick auf. Vielleicht wirkt er in manchen Einstellungen etwas kitschig. Vielleicht zeichnet Ozon in der ersten Hälfte ein wenig zu unsubtil. Doch genau wie in MAR ADENTRO kann ich das gut verschmerzen, wenn ich einen so bewegenden Film erleben darf und diese Merkmale nie die Überhand nehmen. Es ist wunderbar, Romain dabei zuzusehen wie er auf die Ereignisse reagiert. Als er von der Krankheit erfährt überschlägt sich seine Welt. Er bemerkt erst jetzt den Verlust seiner unbeschwerten und unschuldigen Kindheit. Und so macht er sich auf die Suche danach. Er versucht seine Familie und seinen Freund ins Abseits zu drängen, damit die Menschen die er liebt nicht den gleichen Schmerz erleiden müssen wie er. Francois Ozon zeigt uns das es nicht geht. Die Menschen die dir teuer sind werden auf diese Weise nicht weniger leiden. Anhand der Großmutter bekommen wir ein eindruckvolles Spiel darüber geboten, wie wichtig es ist was Menschen sagen und noch wichtiger: Was sie nicht sagen. Jeder Mensch, den Romain über seine Krankheit aufklärt, versucht ihm im gleichen Maße an Emotionslosigkeit entgegen zutreten wie er selbst es tut.

Wieso sticht es mir so ins Herz, diesen Akt der panischen Distanz zu beobachten? Vielleicht weil ich es als menschlich empfinde, ob richtig oder falsch sei einmal außer acht gelassen. Ich könnte mir vorstellen in derselben Situation genauso oder sehr ähnlich zu reagieren. Ich würde versuchen meine teuersten Menschen von dieser Trauer fernzuhalten. Ich würde versuchen dies ganz mit mir selbst auszumachen. Und genau das versucht Romain. Er fotografiert alle Eindrücke dieser Zeit, als wolle er sie krampfhaft am vorübergehen hindern.


Erst als er am Ende im Sand des Strandes liegt, kann er sich mit seiner verloren Kindheit versöhnen, und so auch mit sich selbst endlich Frieden schließen. Und so legt er sich hin und macht die Augen zu. Vermeintlich geht er jetzt noch einmal die Bilder seiner Kamera durch und prägt sie sich ein, um sie an den unbekannten Ort mitnehmen zu können. Und dann, als er so ganz alleine am Strand liegt, nicht lebendig und auch nicht tot, bricht mir Ozon mein Herz. Er schafft mit DIE ZEIT, DIE BLEIBT nicht nur seinen intimsten Filme, er bringt mir auch etwas sehr wichtiges näher: Das Sterben ein sehr einsames Unterfangen ist. Vielleicht sogar unsere einsamste Handlung von allen.

Francois Ozon hat mit DIE ZEIT, DIE BLEIBT einen zutiefst deprimierenden Film geschaffen, der vielleicht nicht an die Raffinesse von SWIMMINGPOOL herankommt, dafür auf menschlicher und emotionaler Ebene klar als Sieger hervor geht. Mit tollen Einstellungen, grandiosen Darstellern und der auf den ersten Blick so abgekauten Geschichte macht Ozon diesen sehr persönlichen Film zu einem echten Highlight. Zwar schwer verdaulich, dafür aber sehr nachhaltig. Wieder einmal wird einem bewusst: Dies ist nicht die Generalprobe für das richtige Leben. Also nutze die Zeit die dir gegeben wurde.
9/10

Sonntag, April 16, 2006

"Wolf Creek" - Wrong Turn


Doch positiv überrascht worden. Schöner, kleiner Genrefilm der Klischees meist auslässt oder gekonnt umtanzt. So steuer WOLF CREEK manchmal auf ein Fettnäpfchen zu, nimmt es dann aber doch nicht. Der Zuschauer ist dankbar, zeigt dies doch das McLean sich Gedanken um seinen Pltt und die Inszenierung gemacht hat. Insgesamt natürlich recht ungeschliffen, als Genrefan habe ich immer auf ein großes Finale hingefiebert. Es sind ein paar Längen dabei die man hätte kürzen können (!). Aber so ist das auch okay. McLean schafft es in der ersten Hälfte mit seinen grandiosen Bildern und der Figurenzeichnung zu überzeugen, blendet dann in einen sehr atmosphärischen Horror-Thriller um. Schön fand ich vor allem das es meist immer anders kam als man dachte, und das McLean sehr konsequent sein Ziel verfolgt (Head on a Stick, weeech). WOLF CREEK erhält einen leichten Doku-Touch, jedoch sind die Bilder immer gestochen scharf. Ein weiterer, netter Aspekt ist, dass der Bösewicht duch den ein oder anderen Gag lustig wirkt, nie aber an Bedrohlichkeit verliert. Natürlich spaltet WOLF CREEK die Lager und das finde ich auch äußerst legitim. Nicht jeder kann mit seiner Inszenierung was anfangen, vielen wird das alles zu lange dauern. Ich fand wirklich nett und bin gespannt auf weitere Projekte. 7/10

Freitag, April 14, 2006

"Dear Wendy" - Dandyismus


"Officer d-d-down, I'm afraid ..."

Sehr leichte Spoiler !?!?

Nein.
DEAR WENDY ist trotz der vielen kritischen Worte nicht zu einem reinen Anti-Amerika-Plagiat verkommen. Und Mensch, was hätte man alles falsch machen können wenn es um ein so heikles Thema geht wie Pazifismus, Waffen und Jugendliche. Doch das Gespann Vinterberg und von Trier scheinen gar keine Hürden zu besitzen: Trier legt vor, Vinterberg verpackt das ganze. Das Resultat ist mehr als sehenswert geworden.

Vinterberg's Dandies stehen für eine ganze Generation. Es sind zum einen jene die sich von ihrer Umwelt falsch verstanden fühlen und zum anderen eben genau die, denen es an Selbstbewusstsein mangelt und die ihre Phantasie zum tragenden Ort machen. Auch die Dandies bauen sich ihr eigenes kleines Universum auf. Doch es gleicht einem Glaskasten und ist von vornherein dazu verurteilt zu zerbrechen. Das, und vor allem wie alles am Ende eskaliert, zeichnet sich tragischer Weise schon sehr früh ab.


Es ist vielleicht der Aspekt an der komplexen Geschichte der mich am meisten fesseln konnte. Wie schon vor Jahrzehnten in "Saló", geht es hier unter anderem um die "Perversion oder Macht". Es sind die Waffen, die sie alle stärker machen. Es ist die Macht in ihren Händen, die ihnen das neue Selbstbewusstsein gibt und sie denken lässt das Loosertum wäre gefallen. Und so sehr sie es alle leugnen, ist es keine Sekunde eine andere Kraft als die über ein Menschenleben zu richten. Es gibt keinen Schritt von der Zielscheibe zum Menschen. Das wird uns unaufdringlich nahe gelegt, als wir sehen um was es im Finale geht. Banaler könnte ein Grund für eine derartige Eskalation nicht sein. Doch auf dem Weg zum "sicheren" Ende, stellt man schnell fest, das es schon lange nicht mehr darum geht eine alte, ängstliche Frau zu ihrer Tochter zu eskortieren. So stark wie nie zu vor stehen Ehre und Akzeptanz im Vordergrund. Und genau darum geht es doch in unserer Gesellschaft! Ich bin mir längst nicht mehr sicher ob es die Waffen waren, die unsere Dandies in das Verderben stürzten, oder der Wunsch nach Anerkennung.

Die spielerische Inszenierung untermauert die vorherrschenden Gefühle. Wehrend Dick und seine Kumpanen zu Beginn noch unter der Oberfläche agieren, trauen sie sich irgendwann aus ihrem Versteck heraus. Diese gesellschaftlichen Aspekte hätten einiges an emotionaler Kraft verloren, hätte Vinterberg sie nicht so großartig und meist sehr subtil verflochten. Der Mann versteht sein Handwerk. Obwohl sich die Erzählung Zeit für wichtige Details nimmt, bleibt die doch immer locker, peppig und stylish, ...oder eben "dandy". Gerade das Final, wirklich furios, bietet ein Feuerwerk an Ideenreichtum. Die unverbrauchten Gesichter erledigen den Rest. Natürlich Jamie Bell (einer der Newcomer der letzten 2 Jahre) klasse. Aber der restliche Cast vermochte noch viel mehr zu begeistern. Ich denke da vor allem an Alison Pill alias "Susan", die schon in "Pieces of April" eine verdammt gute Figur macht. Aber auch Chris Owen und vor allem Mark Webber, bekannt aus seichten Filmchen wie "Snow Day" und "Boiler Room", fahren hier das ein oder andere darstellerische Geschütz auf. Keine Sekunde wird gezweifelt: DAS sind die Dandies, und niemand sonst.


Zudem kann man DEAR WENDY nicht auf eine Markierung alleine schieben. Es ist eine Mischung aus "Coming-of-Age", Jungenddrama, Westernhommage, Freundschaft und tiefer Hoffnungslosigkeit. Vor allem aber ist DEAR WENDY ein Aufschrei junger Menschen, die sich nicht wortlos in unsere Welt integrieren wollen. Ein kleiner Vergleich mit den Tätern von Columbine scheint in manchen Szenen vielleicht sogar angestrebt. Es sind eben jene Menschen, die sich auf der Suche nach Werten und Idealen verlaufen haben und sich selbst welche erschufen. Trotzdem macht es wahnsinnig Spaß, sich in die Welt der Dandies zu begeben. Vielleicht auch, weil man sich in ihrer Gemeinschaft ein wenig sicherer, oder sollte man sagen „geborgener“ fühlt!?

Viele Einzelheiten wurden so überdreht dargestellt, dass ein Augenzwinkern von Vinterberg unübersehbar scheint. Ein paar Mal erreichte er aber auch bei mir den Punkt 0. Kritik an Amerika ist natürlich vorhanden und das sollte man auch gar nicht leugnen. Doch wurde dies nicht wie in so vielen anderen Filmen (auch MANDERLAY, schrecklich) über das Hauptthema gestellt. Die Kritik am "American Way of Life" bleibt Nebenaspekt, und das ist auch gut so. Insgesamt ist der Film eine knallige, einfallsreiche Mixtur aus sehr vielen Komponenten. DEAR WENDY birgt eine immense Kraft. Doch damit belohnt werden nur jene, die bereit sind darauf zu warten. 9/10

Donnerstag, April 13, 2006

"Running Scared" - Sympathy for Mr. Gazelle


”For those regarded as warriors, when engaged in combat the vanquishing of thine enemy can be the warrior's only concern. Suppress all human emotion and compassion. Kill whoever stands in thy way, even if that be Lord God, or Buddha himself. This truth lies at the heart of the art of combat.”
KILL BILL

Es gibt immer eine Grenze, auf deren Grad man zwischen dem was man als Gut empfindet und dem was man als Schlecht bezeichnet wandelt. Bei RUNNING SCARED hatte ich zum ersten Mal das Gefühl diese Linie nie entdeckt zuhaben. Regisseur Wayne Kramer (THE COOLER) wütet wie nur selten ein Buffalo Bill gewütet hat. Sein blau gefiltertes Etwas bewegt sich auf Breitengraden jenseits des guten Geschmacks, kleidet sich auf seinem Weg mit so ziemlich jedem Negativ-Kriterium des Mediums Film, sodass höchstens der Zuschauer am Ende ängstlich aus dem Kinosaal rennt.


Joey Gazelle (Paul Walker) ist wohl das was man in Mafiakreisen einen „Cleaner“ nennt. Seine Aufgabe besteht darin, Mordwaffen auf diskretem Wege verschwinden zu lassen und so den großen Fischen der örtlichen Mafia den Rücken freizuhalten. Zu blöd das Sohn Nicky (Alex Neuberger) und sein bester Freund Oleg (Cameron Bright) beim spielen auf die Waffen stoßen. Als die Situation in Olegs Elternhaus mal wieder kollabiert, holt er sich eine der Waffen und schießt auf seinen Vater. Mit dieser Tat und seiner Flucht bringt Oleg jedoch nicht nur sich selbst in Schwierigkeiten. Vor allem ist es Joey Gazelle der nun schnellst möglich die Tatwaffe zurückbekommen muss, bevor seine Mafia-Freunde Wind von der Sache bekommen. Die Nacht hat begonnen, der Wettlauf ebenso.

Das klingt ja erst einmal nicht so schlecht, schwimmt RUNNING SCARED doch rein optisch auf einer Welle mit Richi’s REVOLVER oder dem LAYER CAKE. Die Einfälle sind da, haben mich bis zu einer gewissen Abnutzung und der 5. Slow-Motion einer abgefeuerten Kugel auch wirklich beeindruckt, weil ich diese technischen Spielereien hier nicht erwartet hätte. Doch wie gesagt, auch das findet man irgendwann nicht mehr so richtig interessant wenn es zu oft vorgesetzt bekommt. Zumal diese optischen Einfälle oft nicht einmal irgendeinen Sinn ergeben, sondern hohl im Raum stehen, nur des Effektes wegen. Da störten mich die blauen Farbfilter und die Wackelkamera in einigen Szenen wesendlich weniger, weil sie wenigstens einen stilistischen Zweck erfüllen.


Viel schlimmer ist das RUNNING SCARED so unheimlich dumm ist. Wer hier nach einem Funken Logik sucht, ist fehl am Platz. Das gilt leider in vielerlei Hinsicht: Damit Kramers billiges Konstrukt am Ende auch aufgeht und wieder einmal alle Beteiligten aufeinander treffen, muss der Zuschauer massiv darunter leiden indem er unzumutbare Handlungsabläufe vor den Latz geknallt bekommt. So schleift Paul Walker auf der Suche nach Oleg auch immer seinen eigenen Sohn mit, gefährdet dessen Leben ohne dass dieser ihm auch nur ansatzweise eine Hilfe wäre. Dies macht er nur aus einem Grund: Damit er an den entsprechenden Story-Abschnitten auch am rechten Fleck ist um wieder eine andere abstruse Handlung in Gang zusetzen. Der Zuschauer, clever oder nicht, entlarvt das billige Spiel spätestens nach der 5. wackeligen Szene: Alles dient nur der Erfüllung des Konstrukts. Und das auf so dilettantische Weise das sogar Uwe Boll nicht hätte mithalten können. Paul Haggis’ CRASH war ebenfalls konstruiert, und das darf ein Film auch unter Umständen sein, jedoch nicht in solch massivem Maße. Je länger der Film läuft, desto schlimmer wird es. Und das trifft auch in Punkto Effekthascherei zu. An jeder Ecke haut RUNNING SCARED irgendeinen Nonsens raus, welcher einfach so im Raum steht, weil er vielleicht ganz nett aussieht oder gerade besonders cool wirkt, aber rein GAR NICHTS mit dem Film oder der Handlung oder sonst wem zu tun hat. Was zum Beispiel sollte dieses Freddy Krüger Cameo? Sorry, aber in solchen Momenten fühle ich mich arg verarscht, weil dieser Rohrkrepierer mir wieder einmal mehr verspricht als er einhalten kann oder will.

Mir graut es jetzt schon davor zu lesen, RUNNING SCARED würde so clever Zitate der Filmgeschichte verarbeiten. Das tut Kramers Film sehr wohl, jedoch auf eine charmelose und dreckige Art & Weise. Spätestens der Western-Klamauk auf dem Eishockeyfeld wirkt einfach nur – lächerlich. Der erhöhte Gewaltanteil hingegen ist mir nicht aufgestoßen. Es wäre sehr schön gewesen endlich mal wieder einen halbwegs raffinierten Oldschool-Actionreißer zu sehen, doch davon ist RUNNING SCARED meilenweit entfernt. Seine verblödeten Charaktere wandeln nicht nur einmal auf den Pfaden von BAD BOYS 2, was sich im letzten Drittel noch verstärkter zeigt. Dann setzen auch noch ein maroder Plottwist, peinlicher Patriotismus und familiärer Fanatismus ein, was zum Glück neben der schieren Unlogik nicht groß ins Gewicht fallen, da Kramer bis hierhin schon versemmelt hat, was man versemmeln konnte. Das alles präsentiert er uns bierernst und trocken wie einen Eimer Sand. Hatte ich es schon gesagt? Das ist lächerlich.


Nein nicht einmal schauspielerisch kann RUNNING SCARED groß etwas reißen. Paul Walker schafft nicht zu vermitteln, was seine Figur angeblich ausmacht. Selten habe ich einen Darsteller gesehen, der beim Versuch wütend zu wirken so verkrampft und angestrengt wirkte. Seine Ghettomentalität (3 Tage-Bart, leicht gebückter Gang und häufiger Gebrauch des F-Wortes = Bad Boy) nimmt man ihm dann erst recht nicht ab. 2 kleine Lichtblicke gibt es hier dannzum Glück doch noch: Jungdarsteller Cameron Bright (Birth) bietet noch das breiteste Spektrum, ebenso Joeys Ehefrau Vera Farmiga (bald zu sehen in THE DEPARTED), welche zur spannendsten und atmosphärischsten Szene des Films beiträgt. Und diese eine Szene sticht auch vollkommen aus dem grauen Muster des Films heraus, lässt man mal die kurze Puk-Szene außer Acht. Es ist die komplette Szene im Haus der „Kinderfreunde“, die nicht nur 1A in Szene gesetzt wurde, sondern auch mit Abstand zu den spannendsten gehört, die ich seit langer Zeit gesehen habe.

Unterm Strich sieht es dann sehr düster aus. RUNNING SCARED bietet eine nette Optik und teilweise sehr gelungene Einzelszenen, dann schnürt sich der Sack aber auch schon zu. Ich war gewillt mich vom ihm berieseln zu lassen, doch wenn ein Film mich pausenlos für Dumm verkauft und mir in nahezu jeder 2. Szene das Prädikat „I’m spezial“ entgegen springt, habe auch ich irgendwann die Schnauze voll. Schon lustig das der Kartenverkäufer zu mir meinte: „Naja, ist halt n’ Film der zum heutigen Publikum passt..“. Will der Film mir also aufzeigen das unser modernes Kinopublikum zum Großteil aus Zombies besteht? In 122 Minuten hat man ja Genug Zeit um darüber nachzudenken. 2/10

Montag, April 10, 2006

""Derailed" - Hi-End Produkt



Auf jeden Fall nicht so schlecht wie er überall im Netz gemacht wird. Ein solider Oldschool-Thriller mit einem wie immer tollen Clive Owen und einer zu meiner Überraschung tragenden Jennifer Aniston. Gefällt mir in einer ernsten Rolle tausendmal besser als mit dieser ewigen Sex and the City Leier a la "Smart woman in charge of their live". Die Story ist zwar etwas konventionell und keines Wegs bahnbrechend, dafür aber sehr spannend. Vielleicht bin ich zu naiv, aber ich habe das Ende SO nicht vorhergesehen, obwohl an jeder Stelle zu lesen ist, ein Genrefan wüsste nach 20 Min wie der Hase läuft. Auch war es schön Vincent Cassel als Bösewicht erleben zu dürfen: Eine Rolle die ihm sehr liegt. Ein Schwachpunkt des Films ist auf jeden Fall RZA. Seine darstellerischen Fähigkeiten beschränken sich auf ein Minimum und wirken eher albern. Dafür wusste Xibit zu gefallen. Guter Film, ich war überrascht und insgesamt auch sehr angetan, selbst wenn es natürlich nichts Neues war. Vergleiche das mal ein wenig mit Fincher's PANIC ROOM, nicht mehr als eine Fingerübung, dennoch ansprechend. 7-8 / 10

2 Welten, 1 Kontinent


Shaolin Vs. Evil Dead

Könnte auch ohne Probleme als ein Film der späten 70er oder frühen 80er durch gehen. Auch hier wieder "Oldschool" ohne Ende, rauchiges Bild, hölzerne Dialoge und viel zu schrille Musik...alles was ein guter Martial Arts-Film braucht. Gordan Liu spielt gewohnt cool und souverän. Der Film wurde genau zwischen KILL BILL VOL. 1 und 2 gedreht, das sieht man Liu schon ein wenig an. Die Ideen sind toll, die Choreographien nett. Der Einfall mit den Zombies ist erst einmal auch nicht schlecht, ein paar Ecken und Enden fangen aber relativ schnell an zu rosten. Storytechnisch bietet und SHAOLIN VS. EVIL DEAD rein gar nichts. Es ist viel mehr eine Nummernrevue welche einen graphischen Einfall nach dem anderen abhakt. So kommt es an ein paar Stellen trotz rasanter Inszenierung zu Engpässen, die ganz schön langweilig werden können. Der gewünschte Kingsize-Trash ist es nicht geworden, aber trotzdem irgendwie ganz nett. By the Way, nie einen Eastern gesehen in dem so oft übers pissen gesprochen wurde. 6/10


InuYasha -
The Castle beyond the looking glass


Ist einfach ein wirklich hervorragender Animefilm. Verschachtelte Story, rasante Erzählung, liebevolle Charaktere. Hat mich nicht nur überrascht, sondern richtig begeistert. Der ganze Film ist wunderbar klar und streng gezeichnet, immer wieder Einschübe von CGI, die jedoch nie die Überhand gewinnen. Das mag ich sehr, denn es soll ja schließlich ein Anime bleiben. Vergleicht man nun SAILOR MOON und INUYASHA, bemerkt man doch einige Parallelen. Fand ich als Fan wirklich witzig. Insgesamt mehr als ansprechend, hätte nicht erwartet hier so etwas tolles zu sehen… Vor allem wenn man bedenkt das dies eine einfache Verfilmung der Serie ist. 9/10

Montag, April 03, 2006

"Dnevnoy Dozor - Wächter des Tages"



Der erste Akt ist vorbei, die Pause setzt ein. An NOCHNOI DOZOR haben sich die Geister geschieden: Für die einen war es ein dunkles, bissiges Fantasy-Spektakel und für die anderen großer, wirrer Bockmist. Ich habe es von Anfang an gehasst, dass Timur Bekmambetov’s Film immer unter dem Aspekt „Nur geliebt weil russisch, weil anders“ betrachtet wurde. Denn so tut man NOCHNOI DOZOR unrecht. Seine wesendlichen Vorzüge sind seine dreckige Moskauer Atmosphäre, seine Konsequenz und seine enorme Vielschichtigkeit, die von einigen auch gerne unter „wirrem Nonsens“ abgetan wurde. Wie dem auch sei, die Pause ist um. Das Publikum muss sich erneut im Theater versammeln, das Licht geht aus und der rote Samtvorhang weicht langsam von der Bühne: Es ist Zeit für den 2. Akt in Sachen NIGHT WATCH, es ist Zeit für das Herz eines jeden Stückes, …das Finale.


DNEVNOY DOZOR beginnt ungefähr ein Jahr nach dem Ende der ersten Hälfte. Der kleine Yegor hat sich für die dunkle Seite entschieden und lebt fort an bei Zavulon, dem Großmeister der Tagwächter, die verwunschene Jungfrau Svetlana arbeitet nun für die Nachtwächter. Anton (Konstantin Khabensky) ergeht es nicht ganz so gut. Um seinen Sohn zu schützen stielt er im Ministerium ein belastendes Beweißstück, worauf eine der Tagwächter stirbt. Es dauert nicht lange bis Anton ins Visier der finsteren Seiten gerät…

Sicherlich werden manche jetzt aufhorchen und klagen, dass man doch etwas mehr erwartet hätte. Diese Nörgler seien beruhigt. DNEVNOY DOZOR bietet eine Vielzahl an Subplots und Sidequests, an denen sich der Zuschauer sattsehen darf. Das Ganze wirkt auf den ersten Blick etwas wirr und unverständlich, doch der aufmerksame Zuschauer wird belohnt. Alle Stränge werden nicht nur angerissen, sondern auch zu Ende geführt. Ich hatte in den letzten 30 Minuten ein wenig Panik: Zieht der Film sich jetzt einfach aus der Affäre? Nein, tut er nicht. Das Ende ist nicht nur verdammt konsequent, es ist auch im höchsten Grade befriedigend. Sicherlich sollte man im gesamten Film ein Auge zudrücken. DNEVNOY DOZOR ist natürlich an vielen Stellen alles andere als realistisch und logisch. Doch das sind Prämissen die ich persönlich erst einmal nicht an einen Film dieser Gattung stelle, sofern dieser nicht selbst den Anspruch darauf erhebt. DNEVNOY DOZOR funktioniert wie sein Vorgänger meist als hervorragender Edel-Trash. Viele Szenen sind so überspitzt und haltungslos dargestellt, enden aber trotzdem mit einem Lächeln. Das macht wahnsinnigen Spaß. Wenn z.B. eine rassige Russin mit ihrem Sport-Roadster horizontal an der Hauswand eines gigantischen Hochhauses entlang braust, schließlich im richtigen Moment bremst und durch die Scheibe kippt, den Gang entlang saust und vor ihrem Chef eine Vollbremsung macht, erhebt dies keinen Anspruch auf Logik oder ähnliches, es wirkt einfach verdammt spaßig. Und das ist ebenfalls etwas, was ich dem Zweiteiler sehr hoch anrechne: Spaß und Leidenschaft.


Auch darf man Timur Bekmambetov nicht mangelnde Konsequenz vorwerfen. Zeugt es doch gerade von dieser, das uns mit dem ersten Akt kein prüdes Erklärfilmchen geliefert hat und auch im zweiten den Sprung ins eiskalte Wasser bevorzugt. Er knallt uns seine fiktive Welt vor den Latz. Findet euch selbst zu Recht oder geht. Er nimmt keinerlei Rücksicht auf seine Zuschauer und erzählt einfach seine Geschichte, wie er sie wahrnimmt. Diese Arroganz darf man natürlich verachten, ich jedoch bin fasziniert von soviel Selbstsicherheit. Zumal in seinem Mystery-Fantasy-Epos genug Platz für gesellschaftlich relevante Themen lässt. DNEVNOY DOZOR ist neben dem breiten Schwarz/Weiß Spektrum auch ein Film über Ausschließung von Minderheiten, Vertrauensbruch, Missgunst oder der Suche nach dem richtigen Miteinander. Ganz deutlich lässt uns das Bekmambetov in den letzten Szenen auf der skurrilen Geburtstagsparty spüren.

Was ist nun explizit der Unterschied zwischen NOCHNOI und DNEVNOY? DNEVNOY ist ein wenig lückenloser inszeniert. Das liegt natürlich auch daran, dass er die Antworten auf die Fragen des ersten Teils liefert. Die Effekte haben sich auch verbessert. Nach dem riesigen Erfolg von NOCHNOI DOZOR hatte man ein größeres Budget zur Verfügung und konnte einzelne CGI-Effekte einfach klarer und optisch impulsiver gestallten. Der Funfaktor wurde ebenfalls nach Oben geschraubt, teils an Hand der Trash-Komik, teils durch die Skurrilität der bizarren Charaktere. Was dem Film zur Gottheit im Fantasygenre fehlt, ist schlicht und ergreifend ein Maß an Ausgewogenheit. Teilweise, und gerade durch die erste Hälfte wirkt der Film ein wenig unausgegoren oder zu hektisch. Doch nehme ich lieber ein eckiges Werk in Kauf als beispielsweise einen aalglatten CONSTANTINE, der es gerade einmal fertig bringt eine gähnend langweilige Nummernrevue aus altbekanntem zu servieren. Wenn man nun auch noch berücksichtigt, dass die DOZOR-Filme nicht einmal ein Zehntel des Budgets zur Verfügung hatten, sind sie eindeutig das gelungenere Projekt, schon alleine weil sie uns nicht mit abgeschmackten Attitüden langweilen wie Hollywoods konventionelles Düsterfilmchen.


Die Darsteller sind erfrischend engagiert. Gerade Konstantin Khabensky liefert eine besonders bodenständige Performance ab, trägt dazu bei das sich der Zuschauer mit seinem Konflikt, der inneren Zerrissenheit, auseinandersetzt. Fürs Auge gibt es dann auch noch Zhanna Friske & Mariya Poroshina, die als Engelchen und Teufelchen agieren. Zhanna ist eine echte Augenweide und jeder Zeit eine Sünde wert, wenn sie in ihrem hautengen Chanel-Kleid durch das Bild stolziert.

Nun ist der Vorhang endgültig gefallen. Die Darsteller haben sich ein letztes Mal verbeugt. Ich bin fest davon überzeugt, dass der 2. Akt bei vielen genauso sauer aufstoßen wird wie der erste. Mein Resümee fällt aber mehr als zufrieden aus. Ich habe nichts Weltbewegendes gesehen, aber den Film eines Regisseurs, der weiß seine eigene Welt zu bewegen. Für mich ist DOZOR ein gelungenes, atmosphärisches und düsteres Fantasy-Highlight, das durch seinen trashigen Charme und seine sehr eigene Art zu überzeugen weiß. Bleibt abzuwarten was Hollywood aus diesem Stoff macht. Eines steht fest: Ein solches Herz wird das Remake nicht besitzen.

NOCHNOI DOZOR: 7-8/10
DNEVNOY DOZOR: 8-9/10

INSGESAMT; 8/10