Dienstag, Februar 14, 2006

"The Chumscrubber" - Wake Up Call



Bildet sich im amerikanischen Independentkino gerade eine neue Spalte oder gar ein neues Genre? Das könnte man fast denken, blickt man auf Filme der von mir gemeinten Gattung: Neben „Garden State“, „Thumbsucker“ und „Junebug“ hat die Familie des bissigen Vorstadtfamilienfilms ein neues Mitglied gefunden. „The Chumscrubber“ erzählt die Geschichte von Dean Stiffle (Jamie Bell). Diesem gehen mal wieder die „happy Pills“ aus. Zum Glück gibt es da ja Troy, den Dealer der Schule. Dieser hat zwar die benötigten Pillen, hängt leider aber an einem Strick in seinem Zimmer. Aus Angst in Schwierigkeiten zu kommen verschwindet Dean wortlos: Ein fataler Fehler der eine Welle an Ereignissen mit sich zieht.

Ich gebe ja offen und ehrlich zu das ich diese Art Film unheimlich schätze. Ich liebe es wenn sich Hollywood in kleinen, phantasiereichen Filmchen die Klinke in die Hand gibt und dabei nicht nur eine Gage im Kopf hat. Das ist auch hier der Fall: Jamie Bell, Carrie Anne Moss, Ralph Fiennes, Rita Wilson, Camilla Belle, Glenn Close, William Fichtner, Lou Taylor Pucci und wie sie alle heißen. Und wie das meistens so ist: gehen die großen viel engagierter an einen kleinen Film als an einen Blockbuster. Man spürt ihre Unverkrampftheit und den Spaß den sie beim Dreh wahrscheinlich hatten. Jamie Bell, Newcomer der letzten Jahre, steht ja fast schon für solide Qualität. Aber denke ich hier nur einmal an Ralph Fiennes oder Glenn Close, bekomme ich eine Gänsehaut. Beide sind sie einfach wunderbar. Close gehört für mich auf jeden Fall zu den besten Argumenten die „Chumscrubber“ zu bieten hat.



Sicherlich, die Story ist vielseitig. Es scheint als würde jemand eine riesige Käseglocke über die Stadt legen. In dieser Glocke laufen die Menschen Amok: Es wird versucht andere für den Tod eines nahe stehenden verantwortlich zu machen, Eine Mutter hat nichts anderes im Kopf als ihre Hochzeit und bemerkt nicht einmal das ihr Sohn gekidnappt wurde und die anderen pumpen ihren Sohn mit Medikamenten voll, weil sie denken er habe einen an der Rassel. Zu Recht hält Regisseur Arie Posin stellvertretend für das Publikum den Zeigefinger auf dieser Horde wild gewordener Affen und sagt, so könne das nicht weiter gehen. Wir sehen eine emotionslose Zombieherde, nicht aber Menschen unseres gleichen. Wo zum Teufel ist das „Miteinander“ geblieben? Um diesen Zusammenhalt wieder herzustellen wird das Leben jedes Einzelnen auf die Probegestellt. Fast schon episodenhaft bringt uns Posin diese Situationen nahe.

Nein, das Problem an dieser Stelle ist nicht das Arie Posin die Situationen auf die Spitze treibt. Es ist viel mehr die Überladenheit. „Chumscrubber“ will einfach zu viele Ideen mit einbringen und möglichst jeden Aspekt behandeln. Doch das geht nicht so einfach, schließlich ist die Zeit begrenzt. So reißt man viele Thematiken an um sie später aus Zeitmangel fallen zulassen. Das Gesamtbild wirkt so leicht uneben, der Eindruck sinkt etwas. Unverständlich auch wieso sich der Mittelteil trotzdem zieht und leicht langatmig wirkt. Inszenieren kann der Mann wahrlich, „Chumscrubber“ ist sehr bildstark und symbolisch ausgefallen, ein Aspekt der mir sehr gefällt. Die Computerspielszenen hätte man weglassen können weil sie nichts zur Sache tun, aber darauf will ich gar nicht eingehen.



Das ändert jedoch nichts daran, das „Chumscrubber“ ein äußerst gelungener Film ist. Hätte eine der Straßen zufällig den Namen Wisteria-Lane getragen, es hätte mich nicht sonderlich gewundert. Schließlich bedient man sich hier einen ähnlichen Schema: Jeder Mensch hat seine Probleme, nur wenn uns das klar wird können wir sie auch bewältigen. Es nützt nichts krampfhaft die Fassade zu erhalten, denn das tut keinem wirklich gut. Nein, der Film zergeht gegen Ende nicht in unsäglichem Kitsch und Klischeeüberladenheit. In einer herzergreifenden Szene zwischen Jamie Bell und Glenn Close wird lediglich der Grundstein für mehr Rücksicht im Umgang miteinander gelegt. Es ist der Punkt, an dem Dean aufwacht. Es ist der Punkt an dem er zum ersten Mal begreift wie wichtig ihm Troy war. Die Vergangenheit zerplatzt wie eine dicke Glasscheibe. Hatte ich erwähnt, dass sich der Film in den letzten 30 Minuten sowieso selbst übertrifft? In kürzester Zeit inszeniert Posin ein wechselndes Meer an Emotionen. Skurril, warmherzig, konsequent, liebevoll und stylsicher platzt der Knoten in dem furiosen Finale in dem ein Highlight das nächste jagt. Das sorgt zudem auch dafür, dass man die kleineren Schwächen gerne beiseite schiebt. Denn insgesamt ist und bleibt „Chumscrubber“ ein wunderbarer Ensemblefilm der alten Schule, dem man seine feinfühligen gesellschaftskritischen Züge auch abkauft. 8/10

2 Kommentare:

Scarlettfan hat gesagt…

Hi Timo,
Glückwunscg zum Blog! Ich war mal so frei, in meinem Blog einen Link auf Deinen Blog zu setzen.

Und schon wieder weckst Du mein Interesse an einem Film. Ich werde Chumscrubber mal auf meine Liste setzen und wenn sich Gelegenheit bietet, vielleicht auch mal sehen. Dein Text liest sich schon mal recht interessant. Weiter so. Gebe Dir übrigens auch Recht, dass man auf blogspot mehr Möglichkeiten hat als mit den technisch defizitären FTBs auf filmforen.de. Eine Sache stört mich aber bei diesen Blogs hier: die Blogs sind leider so codiert, dass sie beim Öffnen im Browser nicht gezwungen werden, alles neu zu laden, sondern Daten aus dem Browser-Cache beziehen. Das habe ich schon mehrfach festgestellt: manchmal muss man die Seite nach dem Öffnen im Browser gleich wieder neu laden, um zu sehen, was für Änderungen jemand an seinem Blog vorgenommen hat (betrifft aber nur nachträglich editierte Beiträge und so). Das nervt mich etwas. Aber ansonsten bin ich sehr zufrieden mit blogspot und werde hier wohl dauerhaft mein Filmtagebuch führen.

Also denn:

Auf gute Nachbarschaft!

Lost in Imagination hat gesagt…

Huhuu Scarlett !!!


Danke für Link und Kommentar ! Die FTB waren ja nett, aber schon alleine ihr biederes Aussehen und die verwobenen Boards haben mich derbe genervt. EIn Blog ist da doch etwas repräsentativer, schon alleine wegen dem wesendlich einfacheren Link, der besseren Übersicht und dem wesendlich (!) schöneren Layout. So ein paar Schwächen habe auch ich schon festgestellt: Das zum Bleistift sind die meisten Scripts im HTML Fenster einbetoniert, was nicht viele Änderungen zulässt. Naja, man kann aber auch nicht alles haben. Und hiermit bin ich wesendlich zufriedener.

FILM: Ja, "Chumscrubber" könnte die wahrlich gefallen. Würde dir aber fast noch eher zum noch ausgefeilteren "Thumbsucker" raten. Auch großes Staraufgebot in ansprechenden Leistungen und Rollen. Würde "Chumscrubber" als leicht schwächer einstufen, so das er dir nach Gefallen von "Thumbsucker" auch zusagen sollte.

Gegen Miranda July kommen jedoch beide nicht ganz an ..lol

Also denn, -dito- was die Nachbarschaft angeht! Prost.